Ostabat, 29.6.2008 (23 km)
Maslacq, 26.6.2008 (23.5 km)
Uzan, 25.6.2008 (25.5 km)
Sauboires, 21.6.2008 (24 km)
Moissac, 14.6.2008 (24.5 km)
Lauzerte, 13.6.2008 (23 km)
Heute ist wahrlich Freitag der 13. Habe festgestellt, dass mein Wanderschuh auf beiden Seiten Löcher hat und ich mit diesen Schuhen nicht bis Santiago werde laufen können. Habe mich ein paar Mal gewundert, dass mein rechter Fuss sich bei Regen feucht anfühlt aber es ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass mein Schuh Löcher haben könnte.
Vielleicht finde ich ja in Moissac ein paar neue Schuhe ansonsten werde ich Willi oder Cécile fragen ob sie mir das gleiche Modell welches ich habe kaufen und sie mir nach St. Jean Pied-de-Port schicken lassen.
Gester Abend habe ich mich in Lascabanes auf dem Friedhof auf einen Baum gesetzt und als ich aufgestanden bin gab es ein komisches Geräusch und mein Hintern war voll dunkelbraunem Harz. Es sieht aus als hätte ich in die Hosen gemacht. Werde mir in Moissac auch eine neue Hose kaufen müssen. Habe mein Konto überprüft und festgestellt, dass nicht mehr soviel Geld darauf ist. Habe das Gefühl, dass mir das Geld wie Sand durch die Finger rinnt und jetzt muss ich auch noch neue Schuhe und Hosen kaufen.
Ja und wie wenn das nicht schon genug wäre kommt auch noch Jean-Claude daher und teilt mir theatralisch mit, dass wir uns ab Morgen nicht mehr sehen würden. Habe ihn gefragt ob er den Bus nehmen oder in aller Hergottsfrühe loslaufen wolle? Er scheint die Schnauze voll von mir zu haben, was ich auch verstehen kann. Es ist kein schönes Gefühl zurückgewiesen zu werden und ich kann recht eklig sein wenn ich mir jemandem vom Leib halten will. Ich sollte mich wohl bei ihm entschuldigen. Wahrscheinlich ist es besser wenn unsere Wege sich komplett trennen. Wenn er mich sieht wird er immer daran erinnert, dass ich ihn zurückgewiesen habe und wenn ich ihn sehe denke ich immer: Mein Gott ich werde ihn einfach nicht los!
Lascabanes, 12.6.2008 (22 km)
Bin im wunderschönen Gîte communal von Lascabanes und freue mich schon auf das Essen. Dies sollte man hier auf keinen Fall auslassen denn es ist einfach hervorragend!
Heute war ein wunderschöner, sonniger und etwas windiger Tag. Was für ein Unterschied wenn man diese Etappe bei schönem Wetter läuft. Keine Stollen unter den Schuhen welche einem das Laufen schwer machen und dazu ist die Strecke relativ flach.
War den ganzen Tag alleine unterwegs und habe mich mal wieder so richtig wohl gefühlt in meiner Haut. Ich glaube Jean-Claude hat es endlich kapiert, dass ich alleine laufen möchte.
Bei Les Mathieux stand 1130 km bis Santiago somit wäre ich Morgen bei der Hälfte meines Weges angekommen. Ich bin echt stolz auf mich und das alles ohne grössere Probleme. Keine Unfälle, keine Krankheit, keine Sehnenscheidenentzündungen, nur Abends schmerzende Füsse welche sich aber jeweils über Nacht wieder erholen. Hoffe es bleibt auch weiterhin so.
Bin schon um 15.00 Uhr angekommen und warte darauf, dass die Gerantin kommt und ich mein wohlverdientes Bier trinken kann. Hier gibt es auch einen kleinen Lebensmittelshop wo man sich selber bedienen kann und dann wirft man das Geld in die Kasse. Die sind ja hier echt vertrauensvoll.
Sonst gibt es eigentlich heute nicht viel zu berichten, werde immer leerer und mein Verstand quält mich auch nicht mehr oft. Versuche einfach im Moment zu sein und das Leben zu geniessen.
Ich vermisse Agnes welche aber zu weit voraus ist als dass ich sie einholen könnte. Wir schicken uns aber immer wieder mal ein sms um in Kontakt zu bleiben.
Cahors, 11.6.2008 (17 km)
Habe mir endlich hier in Cahors ein neues Heft besorgen können. Wollte eigentlich noch bis Les Mathieux weiterlaufen, da von dieser Gîte immer in den höchsten Tönen geschwärmt wird. Es hat einen Swimmingpool mit wunderschöner Aussicht, unter den Gîtes bekommt sie 5 Sterne…;-). Als ich dann aber die drohenden Gewitterwolken sah welche sich vor mir auftürmten habe ich beschlossen doch in Cahors zu bleiben. Dies war ein gute Entscheidung denn wenig später ist ein gigantisches Gewitter über uns hergezogen.
Gestern in Carbrerets, habe ich Jean-Claude am Morgen mitgeteilt, dass ich wieder alleine laufen möchte. Es wurde mir mal wieder zu eng, seine Reserviererei geht mir auf die Nerven und es ist einfach nicht so wie ich meinen Camino laufen möchte. Ich kann ein ziemliches Ekelpaket sein wenn ich mich eingeengt fühle und dies hat er auch schon zu spüren bekommen; deshalb habe ich beschlossen alleine weiter zu gehen. Ich muss lernen mich abzugrenzen ohne gleich alle Schotten dicht zu machen und mein Herz zu verschliessen.
Wenn ich in Moissac bin habe ich die Hälfte des Weges geschafft nämlich 1100 km. Dann ist dann ein Gläschen Champagner fällig. Schon verrückt wenn ich darüber nachdenke.
Habe beschlossen die Variante durch das Célé-Tal zu nehmen anstatt auf dem GR65 zu bleiben. Die andere Strecke bin ich ja schon letztes Jahr gelaufen und so freue ich mich Neuland zu entdecken. Jean-Claude hat sich mir angeschlossen mal schauen wie lange das gut geht. Bin ja nicht gerade dafür bekannt sehr gut paarweise laufen zu können…;-). Eigentlich wollten wir heute in Espagnac übernachten aber die Gîte war wieder einmal durch eine Reisegruppe belegt. Jean-Claude reserviert seine Übernachtungen immer 4 Tage im voraus und ich möchte am liebsten gar nicht reservieren. Möchte ja lernen zu vertrauen und die Kontrolle loszulassen. Er ist jetzt natürlich wieder davon überzeugt, dass es besser ist zu reservieren. Kommen da wohl schon die ersten kleinen Unstimmigkeiten? Dies ist der Preis wenn man zu zweit läuft man muss immer Kompromisse schliessen.
Die Madame wollte uns dann in der Küche auf Klappbetten einquartieren aber im Hinblick darauf, dass die Reisegruppe evt. kochen könnte, haben wir beschlossen bis zum Campingplatz von Moulin Vieux weiterzulaufen. Hier sind wir nun in einem Wohnwagen und sind froh nicht in der Küche übernachten zu müssen.
Die Strecke heute war sehr schön und es ging meist dem Fluss Célé entlang. Ja und das Wetter hat sich auch von seiner schönen Seite gezeigt und nur gegen Abend sind wieder Gewitterwolken aufgezogen.
So jetzt muss ich aufhören, denn mein erstes Heft ist zu Ende und ich muss mir zuerst ein neues besorgen bevor ich weiter schreiben kann.
Heute bin ich früh los da ich es wenn möglich bis La Cassagnole schaffen wollte. Leider hat es nicht geklappt da wegen Bauarbeiten die Strecke länger war als vorgesehen und 30 km waren mir in diesem Moment einfach zuviel.Ich hatte Livinhac kaum hinter mir gelassen als schon wieder die ersten Tropfen vom Himmel fielen und ich meine „geliebte“ Regenpellerine überziehen musste aber es hat nicht lange angehalten. Als ich schon eine Weile unterwegs war ist mir plötzlich eingefallen, dass ich einen Teil meines Proviantes im Kühlschrank zurückgelassen hatte. Habe die beiden Jean-Claudes angerufen aber leider kam bei beiden nur die Mailbox. Ok, dann musste ich halt auf meinen Käse und den Schinken verzichten, ist ja nicht so dass ich gar nichts mehr dabei hatte.Bei der Chapelle de Guirande habe ich eine Abkürzung genommen und bin 2 km auf der D2 geblieben anstatt einen grossen Umweg über das Hinterland zu nehmen. Den guten Tipp habe ich von 4 Franzosen bekommen welche vor mir liefen…;-) und da ich einen weiten Weg vor mir hatte kam mir das gerade recht.In Saint-Felix habe ich dann ausgiebig Rast gemacht und meine Franzosen haben mir sogar noch eine Dose Sardellen und Käse geschenkt als sie mitgekriegt haben, dass ich einen Teil meines Proviantes zurückgelassen habe. Das fand ich echt nett und ich nahm die Gaben dankend entgegen.Auf dem Weg runter nach Figeac bin ich dann wieder den beiden Jean-Claudes und Nordie begegnet und wir sind gleich zusammen ein Bier trinken gegangen.Wir hatten dann mal wieder ein Abschiedsessen da Nordie und Jean-Claude2 hier aufgehört haben. Marco ist auch noch zu uns gestossen und wir sind alle zusammen Essen gegangen. Im Fernsehen lief gerade der Final von Roland Garros zwischen Roger Federer und Rafael Nadal. Es war total spannend und ich bin kaum zum Essen gekommen. Jean-Claude2 hat gemeint wenn wir in Finisterre wären sollen wir ihm eine sms schicken und dann kommt er uns mit dem Segelboot abholen und wir fahren alle zusammen irgendwohin. Schöner Gedanke…;-).
HeuteMorgen habe ich mich um 8.00 mit den beiden Jean-Claudes vor der Kathedrale verabredet. Als sie um 8.15 immer noch nicht da waren wollte ich schon alleine loslaufen. Da kamen sie herbeigeeilt und haben schuldbewusst gemeint, dass sie schon losgelaufen sind und mich vergessen haben! Hmmm, also ein bisschen beleidigt war ich schon.Der Anstieg zur Chapelle Sainte Foy ist ganz schön steil und wir sind ziemlich ins Schwitzen gekommen. Dafür lohnt sich der Ausblick zurück auf Conques. Leider kam die Sonne genau von vorne, dass ich keine schönen Bilder machen konnte.Wir haben dann beschlossen, die Variante über Noailhac zu nehmen, vor allem weil es auf dieser Strecke noch eine Verpflegungsmöglichkeit gab. Wir sind auch nicht runter nach Decazeville, da wir die hässliche Stadt meiden wollten, sondern oben auf dem chemin des crêtes geblieben. Die ganze Strecke verläuft meistens auf der Strasse und ist für die Füsse dementsprechend anstrengend. Habe gehört, dass es bis Figeac so weitergehen soll.Es war den ganzen Tag ziemlich sonnig nur gegen Abend haben sich Gewitterwolken angemeldet aber als die ersten Tropfen fielen waren wir schon angekommen.Wollte eigentlich in den Gîte communal gehen aber die beiden Jean-Claudes haben mich dann in die Herberge (la Magnanerie, sehr zu empfehlen!) mitgenommen wo sie schon reserviert hatten. Es hatte dann für mich auch noch ein Plätzchen frei und wir haben uns Abends ein leckeres Essen zubereitet mit einem richtig guten Stück Fleisch, Gemüse, Salat und natürlich viel Rotwein. So gut gegessen habe ich schon lange nicht mehr und das für sage und schreibe 5 Euro pro Person.Die beiden Jean-Claudes haben sich früh in ihrem Turmzimmer schlafen gelegt und ich habe noch mit Marco ein Glässchen Wein getrunken wozu er mich eingeladen hatte. Marco ist auch zu Hause in Deutschland gestartet und macht hier gerade einen Ruhetag.
Yenne, 12.05.2008 (16 km)
Wunderschöne Bergetappe aber einfach zu faul um Tagebuch zu schreiben. Haben uns in einem grossen Zelt auf dem Campingplatz kurz vor Yenne einquartiert. Sieht ein bisschen aus wie ein Feldlazarret. Der Campingplatz liegt direkt am Fluss. Jetzt gehen wir nach Yenne etwas essen. Bis bald.
St. Genix, 13.5.2008 (24 km)
Valencogne, 14.5.2008 (21 km)
Bellegarde, 17.5.2008 (22 km)
Clonas sur Varèze, 18.5.2008 (21 km)
La Croix Sainte Blandine, 19.5.2008 (22 km)
Les Setoux, 20.5.2008 (27 km)
St. Julien Chapteuil, 22.5.2008 (26 km)
Le Puy-en-Velay, 23.5.2008 (18.5 km)
Le Puy, 25.5.2008
vom 30.9. – 13.10.2007
Basel, 1. September 2007
Habe beschlossen, meine Anreise nach Conques aufzuteilen. Werde zuerst nach Paris fahren, mit dem TGV dauert das nur 3.5 Std. Um 11.00 Uhr werde ich in Paris sein und habe dann den ganzen Tag um die Stadt zu geniessen. Abends gehe ich dann noch in die Buddha Bar wenn ich dazu Lust habe und werde auf meine nächste Pilgerreise anstossen. Am nächsten Tag fahre ich dann bis Conques wo ich zu einer christlichen Zeit nämlich um 15.30 Uhr ankommen werde. Die ganze Reise an einem Tag ist einfach zu lang und Conques ist einfach zu schön um erst nachts anzukommen.
Basel, 15. September 2007
Also, es gibt eine kleine Programmänderung: Ich werde jetzt in Figeac starten, da ich in Moissac Christian treffen werde und wir so noch 4 Tage zusammen bis Condom laufen können. Ich starte nun 2 Etappen nach Conques, ist nicht weiter schlimm, da ich nächstes Jahr sowieso den ganzen Camino laufen werde und dann all die Etappen welche ich ausgelassen habe nachholen kann…;-).
Mein Programm sieht jetzt so aus, dass ich am 29.9. den Nachtzug nach Figeac nehme. Ich werde um 5.45 morgens in Figeac ankommen. Am Nachmittag werde ich dann noch eine kürzere Etappe laufen damit ich am nächsten Tag nicht gleich mit einer Mammutetappe starten muss.
Heute in 2 Wochen geht es wieder los und ich freue mich schon riesig. Ich bin mittlerweile so gut organisiert, dass ich nur noch meine Packliste ausdrucken und die Sachen ergänzen muss welche fehlen.
Ich bin gespannt, ob mich die Zweifel und Ängste auch dieses Mal wieder packen werden aber mittlerweile weiss ich, dass man am besten nicht auf seinen Verstand hört und einfach einen Schritt nach dem anderen macht.
Basel, 22. September 2007
Heute in einer Woche um diese Zeit bin ich in Paris wo ich um 22.30 den Nachtzug nach Figeac besteigen werde. Ich habe ein Bett im Liegewagen reserviert, d.h. Ohropax rein, Schlaftablette schmeissen und durchschlafen bis zum nächsten Morgen. Ausgiebiges Frühstück in Figeac, Stadtbesichtigung, evt. noch Proviant einkaufen und dann geht es los.
Bis jetzt überwiegt die Vorfreude und es sind noch gar keine Ängste hochgekommen. Bin ja auch langsam ein alter Hase…;-), schliesslich ist dies schon mein dritter kleiner Camino! Auch weiss ich gar nicht vor was ich eigentlich Angst haben soll. Dieser Camino wird bestimmt nicht einsam werden wie der letzte, schliesslich laufe ich wieder auf der Via Podiensis. Wobei das Laufen in der Einsamkeit sehr schön war, wenn auch manchmal ein Härtetest.
Im Zug von Basel nach Paris, 29. September 2007
Sitze im Zug nach Strassburg wo ich den TGV nach Paris nehmen werde. Wie immer gehen mir ganz viele Gedanken durch den Kopf. Ängste suche ich vergebens, Gott sei Dank, dafür ist da viel Vorfreude aber auch Unsicherheit was mich wohl auf diesem Weg erwarten wird. Der erste Schritt ist doch auch immer ein Schritt ins Ungewisse wobei ich bis jetzt ja noch keinen Schritt gemacht habe da ich bequem in Zug sitze und zu meinem Startpunkt fahre. Das nächste Mal wenn ich mich auf den Jakobsweg begeben werde, werde ich den ersten Schritt wirklich vor meiner Haustür setzen. Dies wird denn auch ein ganz spezieller Moment sein. Aber jetzt will ich mal nicht vorgreifen, denn zuerst steht die Etappe von Figeac nach Condom an. Ich freue mich total wieder auf die Via Podiensis zurückzukehren und andere Pilger zu treffen. Hoffe ich jedenfalls man weiss ja nie vielleicht grassiert ja in Frankreich das Pilgersterben wenn ich unterwegs bin…;-). Spätestens in Moissac werder ich ja Christian treffen.
Von Strassburg bis Paris sind es noch knapp 2.5 Std. mit dem TGV. Früher brauchte man von Basel nach Paris mit der schnellsten Verbindung ca. 5 Std. Heute ist man in 3.5 Std. in Paris. Ist schon klasse muss ich sagen. Da lohnt sich das Fliegen ja kaum noch vor allem wenn man Flugangst hat wie ich.
In Paris ist mir gleich mal der i-Pod auf den Boden gedonnert aber er funktioniert noch! Habe viele Hörspiele aufgenommen die ich dann Abends hören kann. Diese Idee ist mir bei meiner letzten einsamen Wanderung von Cluny nach Le Puy gekommen, wo ich mich abends mit niemandem unterhalten konnte. Jetzt kann ich zumindest spannende Geschichten hören.
In Paris bin ich mit der Metro zum Bahnhof Austerlitz gefahren. Es war schon nach 22.00 Uhr und in der Metro hatte es nur dunkle Gestalten, ein bisschen mulmig war mir schon und ich war froh, als ich aussteigen konnte. Jetzt sitze ich hier in einer Bar und trinke ein völlig überteuertes Bier aber man gönnt sich ja sonst nichts…;-). Der Bahnhof von Austerlitz ist schon speziell, richtig schön alt sogar die Züge sehen irgendwie alt aus. Es hat ein Gruppe von jungen Leuten in militärischer Uniform. Die französische Uniform ist ja richtig schick wenn ich es mit der von den Schweizern vergleiche. Ich sehe auch Frauen darunter, scheinbar machen die hier auch Militärdienst. Um 23.00 fährt mein Zug, habe eine Couchette reserviert und hoffe, schlafen zu können.
Bin in einem Abteil voller Männer untergekommen aber das stört mich nicht weiter, da ich ja meine Ohrstöpsel dabei habe und von dem evt. Schnarchkonzert nichts mitkriegen werde. Mache mein Bett, gehe noch schnell aufs Klo und dann ab ins Bett. Die Liege ist etwas hart aber es wird schon gehen. Nehme noch eine Schlaftablette und hoffe auf eine kurze und erholsame Nacht.
Figeac, 30. September 2007Sitze auf einer Bank vor der Kirche und warte darauf, dass es hell wird. Lange wird es nicht mehr dauern und es ist Gott sei Dank nicht kalt. Wenigstens ist die Kirche schön beleuchtet und ich habe Licht zum schreiben (noch schöner wäre, wenn sie schon offen wäre..;-).
War schon komisch um 5.45 hier in Figeac anzukommen es fühlt sich an wie mitten in der Nacht. Es ist Sonntag, die Stadt schläft noch und ich laufe durch die leeren Gassen auf der Suche nach einem Kaffee. Immerhin habe ich schon eine Bäckerei gefunden welche offen hat und bin daher schon zu meinem ersten Croissant gekommen. Auf der gegenüberliegenden Seite soll es ein Restaurant geben welches um 7.00 öffnen soll aber im Moment sitze ich gut hier und habe eine schöne Aussicht über die schlafende Stadt. Um 7.30 fängt es an hell zu werden und ich mache mich auf die Suche nach meinem wohlverdienten Kaffee. Das Restaurant hat auch wirklich schon offen, nur ist es total voll mit einer Reisegruppe und ich habe so früh am Morgen keine Lust auf so viele Menschen. Beschliesse mir ein ruhigeres Plätzchen zu suchen. Werde dann fündig auf der anderen Seite der Célébrücke in einem Hotel. Jetzt wird erstmal ausgiebig gefrühstückt und dann geht es los auf meiner ersten Etappe. Habe auf der Zugfahrt von Paris nach Figeac kaum geschlafen und bin dementsprechend müde. War nach 2.5 Std. schon wieder wach und vor lauter Angst zu verschlafen und nicht geweckt zu werden, habe ich kein Auge mehr zugetan. Um 5.15 stand ich schon auf dem Gang, bereit auszusteigen. Die Ironie des Schicksals kam dann in Form eines Schaffners der alle Schlafenden welche in Figeac aussteigen mussten geweckt hat. Ja, ja unnötige Sorgen habe ich mir da wieder gemacht und deshalb eine schlaflose Nacht verbracht. Werde deshalb wahrscheinlich nicht soweit kommen heute aber ich habe ja auch extra eine kurze Etappe geplant.
Mache noch eine kleine Rundtour durch das erwachte Figeac, es ist schön hier und gefällt mir gut. Noch schnell etwas Proviant einkaufen, vor allem Früchte und Tomaten, Brot und Trockenfleisch habe ich noch von zu Hause mitgebracht. Habe Vollkornschnitten dabei da es in Frankreich, auf jeden Fall entlang des Weges, nur Weissbrot zu kaufen gibt. Das weisse Brot wird sehr schnell trocken und die Vollkornschnitten haben mir letztes Mal fast die ganzen 2 Wochen gereicht.
Pech Ibert (Camping Halbpension € 30), 30. September 2007Bin auf dem Campingplatz von Pech Ibert und habe ein kleines Châlet ganz für mich alleine. Vor dem Châlet hat es eine kleine Veranda und ich habe sogar eine eigene Dusche und WC. Wenn ich Proviant dabei hätte könnte ich hier sogar kochen.
Hatte heute keinen guten Tag. Das Wetter war schön und windig aber ich war einfach total übermüdet von meiner schlaflosen Nacht im Zug. Habe in Faycelles, einem wunderschönen Ort, im La Forge zu Mittag gegessen. Es gab Salat und Fisch, war total lecker und natürlich viel zu viel. Meine Pilgerseele brauchte ein bisschen Zuwendung und Nahrung nach diesem schwierigen Start. Mir sind auch schon die ersten Pilger begegnet, ein Paar aus Frankreich, bin halt wieder auf der Via Podiensis…;-). In Faycelles gab es eine Telefonkabine und ich wollte mir auf dem Campingplatz einen Platz reservieren aber leider hat niemand abgenommen. Habe dann beschlossen trotzdem weiterzulaufen und mein Glück zu probieren. Mein Verstand hat mich die ganze Strecke damit gequält, ob es nun Platz hat oder nicht und was ich mache wenn es keinen hat. Hatte nicht genug Energie diese negativen Stimmen in meinem Kopf beiseite zu schieben. Mit diesen irrationalen Ängsten kann ich nur schwer umgehen und wie mehr man ihnen Platz gibt desto grösser werden sie. Dementsprechend schlecht war dann meine Stimmung und natürlich waren alle die Ängste und Sorgen welche ich mir gemacht habe völlig unnötig. Die Hauptsaison ist vorbei und die Chancen ein Bett zu finden sehr gross. Ich muss wieder mehr Vertrauen finden und vor allem im Moment bleiben.
Es ist richtig stürmisch heute Abend, bin ja mal gespannt, was mich Morgen erwartet. Normalerweise kriege ich ja das schlechte Wetter am ersten Tag. Schlechtes Wetter war heute aber nur in meinem Kopf. Habe beschlossen, meine schlechte Stimmung einfach los zu lassen und von da an ging es mir gleich besser. Der Monsieur vom Campingplatz hat mir eine total leckere Gemüsesuppe gekocht, Balsam für meine Seele. Anschliessend gab es eine Pizza, Käse und einen selbst gemachten Apfelkuchen. Hätte nicht gedacht, dass ich sogar auf dem Campingplatz ein 4-Gangmenü bekomme. So hat der erste Tag doch noch einen guten Abschluss gefunden. Monsieur Chassain hat mir von einer Alternativroute (GR651) durch das Célétal erzählt. Habe Bilder von diesem Weg gesehen, sieht total schön aus. Habe aber keine Angaben für Übernachtungsmöglichkeiten und werde deshalb diese Variante nächstes Jahr einplanen wenn ich den ganzen Weg laufe. Dann kommt man nämlich auch an diesen Grotten bei Pech Merles vorbei.
Gaillac (Gîte € 18 mit Frühstück), 1. Oktober 2007Ich sitze auf dem Balkon in der warmen Abendsonne und geniesse die schöne Aussicht. Was hätte ich doch jetzt gerne ein Bier aber da wo ich abgestiegen bin in Gaillac gibt es absolut nichts, tote Hose. Dafür habe ich mir in Cajarc, in weiser Voraussicht schon ein Panaché gegönnt. Um meine morgige Etappe nach Varaire etwas abzukürzen bin ich hier in Gaillac abgestiegen, sonst hätte ich Morgen 24 km machen müssen. Bin jedoch immer noch in der Einlaufphase und möchte mich nicht überanstrengen. Habe mal wieder die ganze Gîte für mich alleine. Entweder ich laufe auf Nebenstrecken wie im Sommer von Cluny nach Le Puy oder am Ende der Saison…;-). Nette Gesellschaft wäre jetzt schön aber es ist auch OK alleine zu sein. Das einzige was mir wirklich fehlt zu meinem Glück heute ist ein Bier, das entspannt so schön.
Bin heute 22 km gelaufen und im Vergleich zu gestern war ich unterwegs wie ein Schmetterling. Gestern war nun wirklich nicht mein Tag! Habe aber sehr gut geschlafen, mindestens 10 Stunden. Mein Schlafmanko ist daher Schnee von Gestern.
Am Morgen bin ich leichtfüssig und bester Laune gestartet. Die Sonne war gerade aufgegangen und hat die Nebelfelder vertrieben. Ich liebe diese Stimmung am Morgen, es ist einfach die schönste Zeit! Während dem Laufen haben sich dann nochmals ein paar Ängste und Sorgen bemerkbar gemacht aber die habe ich einfach weggewischt. Nach 10 Stunden Schlaf haben die keine Chance! Unterwegs ist ein Reh vor mir über den Weg gesprungen, es blieb einen Moment stehen, hat sich umgesehen und ist dann weiter. Wahrscheinlich war es auf der Flucht vor den Jägern, es ist Herbst und Jagdsaison. Hoffe, dass mich keiner mit einem Reh verwechselt, sonst ist es dann vorbei mit meiner Wanderschaft.
Habe heute meinen ersten Dolmen gesehen, ist schon beeindruckend und man fragt sich, wie diese riesigen Steinplatten platziert worden sind. Es soll in dieser Gegend viele Dolmen geben, ca. 800 habe ich irgendwo gelesen. Ich bin viel durch lichte Eichenwälder gelaufen und überhaupt ist der Weg sehr schön. Habe gehört, dass die Strecke von Conques bis Figeac vor allem der Strasse entlang führt. Wenn das stimmt, habe ich ja nicht viel verpasst! Und überhaupt kann ich alle Etappen (bis jetzt sind es 3) nächstes Jahr nachholen. Das Wetter ist auch sehr angenehm auf Donnerstag oder Freitag haben sie Regen gemeldet. Macht nichts wir nehmen es wie es kommt.
Varaire, (Gîte les Marronniers, Halbpension € 29), 2. Oktober 2007Bin ca. 17.30 in Varaire angekommen. Musste mich erstmal setzen und ein Bier trinken. Der Monsieur hat mich gefragt ob ich „un demi“ möchte worauf ich meinte Nein ich hätte gerne ein kleines Bier. Un demi ist aber nicht 1/2 lt Bier wie ich gemeint habe sondern 2.5 dl. Schon wieder etwas dazugelernt!
Sitze in der Sonne, massiere meine Füsse und trinke Tee welcher mir eine Pilgerin angeboten hat. Heute Abend bin ich in einer Gîte volle Leute! Dies ist für mich direkt ein grosses Ereignis. Die ersten zwei Nächte war ich völlig alleine. Es tut gut zu reden, zu lachen und überhaupt sich mit anderen Menschen auszutauschen. Man trifft in Frankreich vor allem Wandergruppen und nur wenig Pilger. Hier ist aber ein Pilger aus Winterthur und er ist richtig froh, wieder einmal Schweizerdeutsch reden zu können. Er hat den ganzen Weg von Winterthur bis hierher gemacht aber in Etappen. Er macht pro Tag locker 30 – 40 km, und ernährt sich tagsüber von dem was er so am Weg vorfindet. Glaube nicht, dass ich ihn wiedersehen werde, bei diesem Tempo kann ich kaum mithalten. Der Herbst ist wirklich eine der schönsten Jahreszeiten zum Wandern und vor allem findet man viel essbares wie Esskastanien welche man sammeln und abends in der Gîte zubereiten kann sowie Trauben, Zwetschgen, Aepfel, Baumnüsse, Pilze, Brombeeren, Himbeeren usw. Verhungern kann man also nicht. Ausserdem ist eine Gruppe von 3 Franzosen unterwegs, alles Frührentner und eine andere gemischte Gruppe. Das Durchschnittsalter ist zwischen 55 und 70. Es ist mir schon aufgefallen, dass vor allem Rentner und Frühpensionierte zu dieser Jahreszeit unterwegs sind. Bin direkt ein junges Küken mit meinen 46 Jahren…;-). Die meisten in dieser Gîte gehen Morgen direkt bis Cahors, das schaffe ich aber nicht und es gibt ja auch keinen Grund mich zu beeilen.
Bin wieder viel durch Eichenwälder gelaufen, es war sehr schön heute aber auch heiss. In Limogne wollte ich mir wieder einmal etwas gutes tun und habe im Rince Cochon (?), welches mir empfohlen wurde, zu Mittag gegessen. Es gab Cassoulet was ein Bohneneintopf mit Speck und Würsten ist. Das Essen ist mir schwer aufgelegen und danach ging fast nichts mehr. Ich habe für die restlichen 7 km fast 3 Stunden gebraucht! Hätte mich am liebsten hingelegt und geschlafen. Habe mich nur mühsam dahin geschleppt und musste mich immer wieder hinsetzen. Von jetzt an werde ich nie mehr zu Mittag essen!!! Wie heisst es so schön? Sag niemals nie oder so ähnlich? Na, wir werden ja sehen. Im Restaurant sind mir 2 alte, kauzige Engländer begegnet welche sich über alles beschwert haben. Sie haben auf den Bus nach Cahors gewartet da der Weg ihrer Meinung nach nicht schön und vor allem zu steinig wäre. Ausserdem gäbe es nicht genug Bars und Restaurants am Wege um anzuhalten. Ja und überhaupt wäre es in Spanien viel schöner. Wer bitte hat den gesagt der Jakobsweg sei ein Spaziergang und zudem muss man schon mit geschlossenen Augen laufen um den Weg nicht schön zu finden. Nur meine ganz persönliche Meinung. Ich hatte auf jeden Fall keine Lust mich weiter mit ihnen zu unterhalten und mir ihre Negativität reinzuziehen. Habe bezahlt und bin gegangen, zu Fuss und mit einem dicken Bauch vom Cassoulet.
Le Pech (Gîte Halbpension € 26), 3. Oktober 2007Komme heute gar nicht dazu Tagebuch zu schreiben, da ich kaum angekommen schon ein Bier in der Hand habe. Die Wandergruppe bestehend aus 2 Franzosen, 2 Schotten und einem Kanadier ist auch hier abgestiegen. Sind also doch nicht alle direkt bis Cahors gelaufen. Einer der Schotten ist es natürlich welcher mir gleich ein Bier in die Hand drückt. Es sind auch noch 2 Franzosen aus Lyon hier welche von Cajarc an einem Stück hierhergelaufen sind. Dies sind 44 km! Bin schwer beeindruckt. Die laufen sonst aber auch Marathon und sind völlig durchtrainiert. Ich muss mir immer wieder sagen, dass ich das nicht können muss. Bin eigentlich völlig OK mit meinen 20 – 25 km pro Tag.
Es gibt heute mal wieder Cassoulet, dieses liegt mir aber nicht so schwer auf wie jenes in Limogne, muss aber anschliessend auch nicht mehr weiterlaufen…:-).
Die heutige Etappe war sehr leicht, da es vor allem auf guten Wegen geradeaus ging und keine nennenswerten Steigungen zu bewältigen waren.
Nach dem Essen holt Jean-Marie seine Mundharmonika hervor und wir probieren zusammen zu singen. Nicht so einfach wenn man den Text nicht kennt. Draussen hört man einen Kauz, der tönt wie wenn man einen Blasebalg betätigen würde. Wir wissen nur, dass es sich um einen Kauz handelt, da die Madame der Gîte es uns gesagt hat. Tönt fast etwas unheimlich…
Teile mein Zimmer mit den beiden Lyonesen, welche am Abend vorher schon alles zusammen packen, da sie am nächsten Tag in aller Früh los wollen und mich nicht wecken wollen. Das nenne ich rücksichtsvolle Pilger…;-)! Ich weiss es zu schätzen.
Cahors (Maison du Pélérin, Übernachtung mit Frühstück € 15), 4. Oktober 2007Bin um 12.30 in Cahors angekommen und habe wieder einmal zu Mittag gegessen, muss aber nachher nicht mehr weiter deshalb ist das auch völlig OK. Es gab Salat mit Entenstreifen und Magen (Gezier). Wenn ich vorher gewusst hätte was es ist hätte ich es wohl nicht gegessen, hat auch seltsam geschmeckt. Ist eine Spezialität von hier, dafür war der Rocamadour-Käse klasse.
Um 15.00 hat der Gìte La Maison du Pélérin aufgemacht welcher total neu ist, wurde erst im August eröffnet. Ist sehr zu empfehlen, es hat eine gute Küche mit Geschirrspüler, Waschmaschine und Trockner. Habe mal wieder meine Kleider gründlich in der Waschmaschine gewaschen, der reinste Luxus wenn man nicht von Hand waschen muss. Bin dann anschliessend in die Stadt und habe die Altstadt besichtigt. Die Kathedrale ist eher speziell und ein völliger Stilmix, hat mir nicht sehr gefallen aber das ist Geschmackssache. Dafür ist die berühmte Brücke von Valentré wirklich sehr schön und ich habe auch den kleinen Teufel gesehen welcher an einem Turm klebt. Es gibt da auch einen kleinen Park der dem Lot entlang führt wo man sich sehr gut ausruhen kann zudem führt der Jakobsweg da entlang und verlässt die Stadt über den Pont Valentré.
Die 2 kauzigen Engländer sind immer noch hier, scheinbar hat es in dieser Stadt genügend Bars und Restaurants…;-). Sie werden Morgen auch bis Lascabanes weiterlaufen. Kann man ja nur hoffen, dass nicht zu viele Steine im Weg liegen…;-).
Heute Abend werde ich in der Gîte kochen und Essen, diese wunderschöne Küche muss man einfach ausnützen. Wenn ich nächstes Jahr den ganzen Weg laufe, werde ich nur ab und zu Halbpension nehmen können und mir vor allem in der Gìte etwas zubereiten. Es rechnet sich nämlich ganz schön wenn man immer Halbpension nimmt. Dies ist völlig OK wenn man 2 Wochen Ferien hat aber das ganze über 3 Monate ist für mich zu teuer. Hoffe in Frankreich mit €20 pro Tag durchzukommen. Die Übernachtung in der Gîte kostet meistens ca. €11 und das Frühstück €4, bleiben €5 um Lebensmittel einzukaufen. Auch kann man das Frühstück weglassen und noch mehr einsparen. Bin von Cluny nach Le Puy öfters ohne Frühstück gestartet und habe mich von dem ernährt was ich noch dabei hatte, meistens Aepfel oder Tomaten. Die meisten Gîtes haben eine gut eingerichtete Küche mit Mikrowellenherd, da kann man sich im Supermarkt auch einfach mal eine Lasagne kaufen oder eine Pizza in den Ofen schieben. Es ist ja nicht so, dass ich jeden Abend ein 4-Gangmenü brauche…;-).
Lascabanes (Gîte communal, Halbpension € 28), 5. Oktober 2007Was für ein Tag! Heute bin ich mehrere Stunden bei strömendem Regen gewandert. Meine Überhosen kamen zum ersten mal zum Einsatz. Pelerine und Überhose (lange Gamaschen welche man am Gürtel befestigen kann), hat sich für mich sehr gut bewährt. Man schwitzt zwar unter der Pelerine aber es ist das einzige, was auf die Dauer wirklich dicht hält. Goretex-Regenjacken lassen irgendwann auch durch. Das einzige Problem welches ich hatte war, wenn ich mal Pinkeln musste, da wünsche ich mir manchmal ein Mann zu sein (im Handel soll es ja so trichterförmige Tüten für Frauen geben…;-)). Ziemlicher Trip kann ich nur sagen im strömenden Regen, zuerst Pelerine ausziehen, dann Rucksack absetzen und zu allem Überdruss habe ich mich noch direkt in Kletten gesetzt welche ich dann überall in den Hosen hatte. Auch wenn es mich im Nachhinein zum Lachen bringt, es war überhaupt nicht lustig!!!
Nach Cahors fängt dieses Kalkgebirge an und wenn es regnet wird alles lehmig und man hat dicke Stollen unter den Schuhen. Man schleppt dann noch ein paar Kilos mehr mit und kann die Füsse kaum mehr heben. War ziemlich anstrengend aber da es meiner Psyche recht gut ging war es zu bewältigen. Es ist schon erstaunlich, wie sehr die Tagesform auch von der Psyche abhängt und nicht nur von der körperlichen Fitness. Ist man guter Dinge bewältigt man auch so genannte Herausforderungen besser als wenn man schlechte Laune hat und sich noch zusätzlich selber im Wege steht.
Um 16.00 Uhr war ich im Gîte Communal von Lascabanes (sehr zu empfehlen!!) und musste erst einmal lachen als ich all die völlig verdreckten Schuhe im Gestell stehen sah. Habe meine dazu gestellt und beschlossen sie später zu reinigen, was ich dann später auch gemacht habe. Die Gîte ist mit viel Liebe perfekt organisiert, hier wird wirklich an alles gedacht. Auf einer Tafel steht in welchem Zimmer man untergebracht ist, wenn man nicht reserviert hat sieht man gleich ob noch ein Bett frei ist. Zudem gibt es eine kleine Epicerie vor allem mit Lebensmittel für Rucksackpilger. Bei den Lebensmitteln kann man sich selber bedienen und wirft dann einfach das Geld in eine Kasse. Der Esssaal ist zudem ein wunderschönes Kellergewölbe.
Ich teile das Zimmer mit den zwei kauzigen Engländern welche ich schon in Limogne und Cahors getroffen habe. War ehrlich gesagt nicht gerade begeistert und das hat man mir wohl auch angemerkt. Habe dann beschlossen nett zu sein und das eine oder andere Wort mit ihnen zu wechseln aber sehr gesprächig war ich nicht.
Dafür war das Abendessen eine Klasse für sich; einfach köstlich (hier unbedingt Halbpension einplanen!).
Habe von einem französischen Ehepaar erfahren, dass die Übernachtungsmöglichkeit im L’hospitalet gar nicht zu empfehlen ist. Die Gastgeberin sei sehr unfreundlich. Zum Frühstück gab es nur hartes Brot und als sie reklamiert haben, haben sie zur Antwort bekommen, dass andere froh wären wenn sie überhaupt Brot kriegen würden. Dies zur Info für welche die den Umweg nach l’Hospitalet vorhaben.
Christine, eine Krankenschwester, hat sich 6 Monate Auszeit genommen und macht in der Zeit den Jakobsweg. In Frankreich ist dies scheinbar nicht so ein Problem, eine Auszeit zu nehmen da Krankenschwestern sehr gesucht sind. Nach den Herbstferien wird sich dann herausstellen ob ich im Frühjahr auch eine Auszeit bekomme wenn nicht gebe ich mir selber eine…;-). Wir haben uns dann noch mit einem Glas Rotwein nach draussen gesetzt und geplaudert. Es war so richtig herbstlich kühl und neblig. Wir mussten dann noch fast durchs Fenster wieder ins Haus da die Eingangstüre schon abgeschlossen war aber ein netter Pilger hat uns doch noch reingelassen. Anschliessend habe ich mich mit meinem i-Pod ins Bett gelegt und den zwei Engländern eine Gute Nacht gewünscht. Der i-Pod bewährt sich übrigens auch, hilft nämlich auch beim Einschlafen. Der einzige Nachteil ist, dass man noch ein zusätzliches Ladegerät mitschleppen muss, mittlerweile sind es schon drei! Einer fürs Handy, einer für die Kamera und einer für den i-Pod!!!
Lauzerte (Les Figuiers, Halbpension € 26), 6. Oktober 2007Bin in Lauzerte, einer mittelalterlichen Stadt (einer der schönsten Städte Frankreichs). Habe schon wieder Glück mit meiner Wahl der Übernachtung. Bin im Les Figuiers bei Mr. und Mme. Reversat abgestiegen (Sehr nette Gastgeber; sehr zu empfehlen!). Zur Begrüssung bekam ich einen köstlichen Sirup (Violet?) und habe mich mit Mme. unterhalten. Habe ein Zimmer ganz für mich alleine und geniesse es wieder einmal ohne Ohrstöpsel schlafen zu können. Habe nach dem Duschen eine kleine Stadtbesichtigung gemacht. Es ist wirklich sehr schön hier. Auf dem Platz vor der Kirche habe ich mich in eine Bar gesetzt wo gerade eine Band geprobt hat. Die geben heute Abend hier ein Popkonzert. Hat richtig gut getönt, weiss aber nicht ob ich es nach dem Essen noch einmal hier hoch schaffe. Die Altstadt liegt nämlich oben auf dem Hügel.
Das Essen war übrigens wieder einmal köstlich und zum Abschluss gab es noch einen Verveine Likör (Eisenkraut). Diese Spezialität kenne ich schon aus Le Puy.
Habe von anderen gehört, dass der Gîte communal hier eine Katastrophe sei. Man hatte ohne etwas zu sagen die Kochplatte entfernt und zudem waren die Betten verwanzt!!! Auch das Hotel sei nicht zu empfehlen in Lauzerte.
Heute Morgen war es total neblig als ich in Lascabanes gestartet bin. Habe schöne Nebelaufnahmen gemacht (mit Blitz hat man lauter kleine Tropfen im Bild). Es war eine wunderschöne Stimmung in diesem Nebel zu laufen, er war nie so dicht, dass man nichts mehr gesehen hätte. Meine Haare haben sich völlig gekringelt von der Feuchtigkeit und waren voller kleiner Wassertropfen.
Vor ein paar Tagen, in Le Pech, habe ich Hortense kennen gelernt, sie kommt aus Kanada und hat vor bis St. Jean Pied de Port zu laufen. Wir sind heute immer wieder einmal ein Stück zusammen gelaufen. Sie ist dann aber noch weiter als Lauzerte. Kurz vor Lauzerte hat es ein extrem steiles Stück Weg zu bewältigen welches ich nicht bei Regen laufen möchte. Ich hatte Glück der Regen war gestern…;-) und ich bin in kleinen Serpentinen runtergelaufen (in diesen Situationen bin ich immer wieder froh einen Wanderstock zu haben).
Moissac (Moulin de Moissac, bin eingeladen..;-)), 7. Oktober 2007
Bin im Moulin de Moissac, ein ganz schickes Hotel. Als erstes habe ich mich gleich mal in die Badewanne gelegt. Was für ein Luxus für meine schmerzenden Glieder. Es hat sogar eine Nespresso Kaffemaschine, muss ich wohl nicht sagen, dass ich die auch gleich getestet habe. Um 19.30 kommt Christian an und ich bin mal gespannt wie das sein wird, schliesslich haben wir uns ein Jahr nicht gesehen. Wäre eigentlich lieber in eine Gîte und hätte ihn dann zum Essen getroffen um uns langsam wieder aneinander zu gewöhnen. Aber er hatte schon ein Hotel gebucht und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Na ja mal sehen was da auf mich zukommt. Heute bin ich ca. 26 km gelaufen, um 7.30 war ich schon unterwegs. Es hat gerade angefangen hell zu werden und war wieder einmal neblig wie eigentlich immer Morgens die letzten Tage. Mr. Reversat hat mir noch eine Abkürzung gezeigt, wie man schneller zur Stadt hinauskommt. Er hat mir auch gesagt, dass ich mich unbedingt nochmal nach der Stadt umdrehen soll, es lohne sich. Er hatte recht es war wunderschön Lauzerte im Nebel auf dem Hügel zu sehen.
Morgens habe ich immer am meisten Energie, die hält so für 2.5 Std. Nach dem Mittag habe ich meistens schon die Hälfte der Etappe zurückgelegt. Am Nachmittag nehme ich es dann gemütlicher und mache mehr Pausen da ich langsam auch müde werde.
Habe dann unter einem schönen Baum eine Rast eingelegt und etwas gegessen. Da kam eine schnatternde Frauengruppe vorbei welche ich teilweise schon in Lascabanes und Lauzerte getroffen hatte. Vor lauter Schwatzen haben sie die falsche Abzweigung genommen, nimmt mich Wunder, wann sie es gemerkt haben. Der GR war in zwei Richtungen markiert und zuerst habe ich noch gedacht, der andere Weg sei eine Variante aber eigentlich zeigte er in die Richtung von wo wir gekommen waren. Auf jeden Fall war es zu spät sie zurück zurufen sie waren schon über alle Berge. Ich verlaufe mich eher selten und wenn merke ich es ziemlich schnell da mich mein Instinkt warnt. In der Auberge de l’Aube Nouvelle habe ich einen sehr guten Lavazza Kaffee bekommen und der Monsieur hat mir auch noch meine Wasserflaschen aufgefüllt. Scheint auch ein schönes Plätzchen zu sein um zu übernachten. Bin dann voller Elan weiter gewandert. Überhaupt habe ich diese 26 km locker gemeistert. Unterwegs habe ich wieder einmal Hortense getroffen und wir sind das letzte Stück bis Moissac zusammengelaufen. Sie hat mir übrigens gesagt, dass sie im Tag so ca. € 20 braucht. Sie kocht auch immer selber, es ist mir aber auch aufgefallen, dass sie in der Gîte öfters von den anderen Pilgern zum Mitessen eingeladen wird. Was ja eine schöne Geste ist. Sie wird in Moissac einen Ruhetag einlegen und deshalb werden wir uns wohl nicht mehr sehen. Wünsche ihr noch viel Glück auf ihrem Weg nach St. Jean Pied de Port.
In Moissac angekommen habe ich zuerst einmal die Kirche und den Kreuzgang besucht. Die Kathedrale ist gewaltig und der Kreuzgang einfach wunderschön. Anschliessend habe ich auf dem Platz ein Bier getrunken und bin erst um 18.30 im Hotel angekommen. Ich mag ja Hotels nicht so sehr, werde mich wohl aber wieder daran gewöhnen müssen, da ich ja bald mit einem Dreisterne-Pilger unterwegs sein werde, so nenne ich Christian immer …;-). Christian ist dann angekommen und anschliessend sind wir Essen gegangen. Es war irgendwie vertraut ihn wiederzusehen und doch auch wieder fremd wenn man sich ein Jahr lang nicht gesehen hat.
Auvillar, (Übernachtung mit Frühstück € 20), 8. Oktober 2007Heute sind wir zusammmen 20 km gelaufen und angefühlt hat es sich wie 100 km. Habe letzte Nacht extrem schlecht geschlafen. Bin es nicht mehr gewohnt zusammen in einem Bett zu liegen und zudem wollte mich Christian die ganze Zeit umarmen. Hilfe, dass ist mir zu eng!!! Bin seit zwei Jahren wieder Single und diese Nähe nicht mehr gewohnt! Habe mir den ganzen Tag überlegt, wie ich es Christian beibringe, dass ich lieber alleine weiterlaufen und auch wieder alleine schlafen möchte.
Den ganzen Weg über war ich in Gedanken und überhaupt nicht im Hier und Jetzt. Dies hat mich extrem viel Energie gekostet und ich kam nie in meinen Rhythmus. Es fing morgens schon damit an, dass es 9.00 wurde bis wir endlich losgelaufen sind. Ich bin normalerweise immer zwischen 7.30 und 8.00 gestartet. Der frühe Morgen ist für mich die schönste und kostbarste Zeit, da habe ich am meisten Energie. Ja, es ist schwierig für mich umzustellen, bin es einfach gewohnt alleine zu laufen und Kompromisse machen zu müssen an das muss ich mich erst wieder gewöhnen. Habe mir vorgenommen beim Abendessen mit ihm darüber zu reden.
Habe mit Christian geredet und irgendwie ist es auch gleich etwas leichter geworden. Habe dann auch wieder gemerkt, dass ich ihn ja eigentlich ganz gut mag. Haben für Morgen abgemacht, dass ich früher als er starten werde, also zu meiner normalen Zeit und er will noch auf die Post um Kleider die er nicht braucht zurückzusenden. Somit werde ich Morgen alleine starten und das ist gut so. Es ist immer gut darüber zu reden auch wenn es einem schwer fällt.
Castet Arrouy (Halbpension € 22.50), 9. Oktober 2007
Wir sind ganz alleine im Gîte communal von Castet Arrouy. Ein kleines Nest in der Gasconne. Habe heute mal wieder alle meine Kleider in der Waschmaschine gewaschen und habe jetzt bis sie trocken sind nur meinen Pyjama zum anziehen. Muss somit hier im Haus bleiben. Christian ist mit Tashi raus um zu schauen ob das Restaurant offen hat und/oder man in der Epicerie etwas einkaufen kann. Tashi ist aber wieder zurückgekommen, hat wohl heute keine Lust mehr zu laufen. In der Zwischenzeit ist aber die Betreuerin der Gîte gekommen und ich habe Tashi schnell im Zimmer eingesperrt, da Hunde hier nicht erlaubt sind.
Es hat sich dann herausgestellt, dass die Epicerie hier in der Gîte integriert ist und zwar in einem riesigen Schrank und dass es sonst hier keinen Laden gibt wo man etwas einkaufen könnte. Habe dann Christian angerufen, er solle zurückkommen. Er wollte gerade ein Taxi organisieren um nach Miradoux zurückzufahren und etwas zum Essen einzukaufen. Das Restaurant hat nämlich geschlossen. Hier in der Gîte kann man aber alles einkaufen und wir haben uns ein kleines Menü zusammengestellt. Es gab Ente mit Zwetschgen und Teigwaren, anschliessend Käse und zum Dessert ein Cornet. Fast schon ein kleines Festmahl…;-). Sobald es einen Fernseher hat muss die Glotze auch gleich angestellt werden und das nervt mich total. Wenigstens wenn ich auf dem Pilgerweg bin möchte ich vom Fernseher meine Ruhe haben. Zu Hause lese ich die Zeitung und schaue mir die Nachrichten an aber jetzt möchte ich von der Welt einfach mal nichts hören. Auf dem Weg zu sein bedeutet für mich auch eine Pause zu haben und zwar von allem. Habe Christian gebeten, wenigstens während dem Essen den Fernseher abzustellen und anschliessend habe ich mich ins Zimmer zurückgezogen um Tagebuch zu schreiben. Wir leben nun mal wirklich in zwei total verschiedenen Welten. Mir macht es nichts aus in einer Gîte zu schlafen, auch das Zimmer mit anderen Pilgern zu teilen stört mich nicht. Eigentlich brauche ich nur eine Dusche, etwas zum Essen und ein Bett. Für Christian ist die Gîte eigentlich unter seiner Würde und wenn er es einrichten kann schläft er immer im Hotel. Nur hier gibt es keines!
Ich hatte heute einen sehr guten Tag. Bin bis 15.00 alleine gelaufen und es lief sehr gut. Die letzten 5 km sind wir dann zusammengelaufen. Es war den ganzen Tag dunstig aber die Stimmung war wunderschön, wie ein Aquarellgemälde. In der Ferne hat man ein riesiges Schloss gesehen und an einer alten Burgruine bin ich auch noch vorbeigekommen. Man sieht teilweise auf dem Weg sehr schöne Gebäude und Schlossanlagen.
Morgen werden wir bis Marsolan laufen und dann entscheiden, ob wir noch bis La Romieu weitergehen. Das wären 29 km, mal sehen wie das Wetter Morgen ist. Werde versuchen um 7.30 loszulaufen, wenn möglich wieder alleine. Unvorstellbar, dass ich 29 km in Begleitung schaffe…:-). Habe nur noch zwei Tage und dann bin ich schon in Condom. Verrückt wie schnell die Zeit vergeht.
Marsolan (Halbpension € 19), 10. Oktober 2007
Na heute war ja vielleicht garstiges Wetter. Wir sind in Castet Arrouy kaum zur Gîte rausgekommen als es schon anfing zu regnen und wir uns in die Regenmontur stürzen mussten. Es hat fast ununterbrochen geregnet bis Lectoure. Es waren sehr schöne Wege nur leider ziemlich nass und windig. Man sieht immer wieder Jäger mit ihren Hunden. Oft stehen sie einfach in einem Feld und warten auf das Wild.
In Lectoure sind wir ca. um 10.45 angekommen und haben dann eine lange Pause gemacht. Es hat immer noch in Strömen geregnet und wir haben beschlossen zu Mittag zu essen und nur bis Marsolan weiterzulaufen. Ich habe mir dann noch eine Salbe gegen meine Sonnenallergie gekauft, da ich nachts angefangen habe mich wie wild zu kratzen. Das einzige was da hilft ist eine Cortisonsalbe. Um 14.45 sind wir dann endlich weiter. Es hatte aufgehört zu regnen und teilweise ist sogar die Sonne rausgekommen. Man hatte immer wieder wunderschöne Ausblicke zurück auf Lectoure. Kurz vor Marsolan kam dann wieder ein richtiger Wolkenbruch. Christian hatte sich gerade auf eine Bank gelegt und wollte sich etwas ausruhen. Ich war schon damit beschäftigt meine Regenklamotten anzuziehen, da ich die dicke schwarze Wand ziemlich schnell auf uns zukommen sah. Christian wollte mir nicht glauben, dass es gleich wieder losgeht und hatte dann einen ziemlichen Stress bis er sein Regencape anhatte. Es fing nämlich an tierisch zu winden. So ein Regencape schnell anzuziehen ist nicht so ganz einfach vor allem wenn es dazu noch heftig windet und man alleine unterwegs ist. Zu zweit kann man sich wenigstens gegenseitig helfen das Teil über den Rücksack zu ziehen.
Die letzten 4 km waren mal wieder richtig mühsam aber das war der Preis den ich für das Mittagessen bezahlen musste. Ich bin dann auch eher schleichend als laufend in der Gîte von Marsolan angekommen. Kurz davor hat es auch noch angefangen zu donnern und ich habe die Gîte nicht gleich auf Anhieb gefunden. Wenn ich vor etwas wirklich Angst habe unterwegs, dann sind es Gewitter und Hagel!
Wir hatten Glück, dass wir hier untergekommen sind, da man zu dieser Jahreszeit besser 2 Tage im voraus reserviert. Ein Bett zu kriegen ist meistens kein Problem aber man riskiert hungrig ins Bett zu gehen wenn man nicht noch Proviant im Rucksack hat. Hier war es auch so aber die Madame hatte noch ein Stück Braten und dazu Teigwaren. Dazu hatten wir noch 2 Tomaten und 2 Aepfel und das Abendessen war gerettet. Christian sitzt mal wieder vor dem Fernseher und ich habe mich wieder ins Zimmer zurückgezogen um Tagebuch zu schreiben. Habe meine Skiunterwäsche angezogen und liege im Schlafsack, so ist es richtig schön warm. Heute war es zum ersten Mal so richtig herbstlich nass und kalt. Es ist eine sehr schöne Gîte hier, wieder einmal sehr zu empfehlen.
Seit Moissac begegnen uns kaum mehr Wanderer oder Pilger nur noch Jäger. Die meisten haben wohl in Moissac aufgehört. Bin gespannt ob ich Hortense in Condom noch mal treffe da ich ja auch einen Ruhetag einlegen werde. Werde die erste Nacht mit Christian nochmal im Hotel verbringen und die zweite Nacht bei Roland Miotke in La Maison du Pélérin. Samstag Morgen werde ich dann wohl den Zug zurück in die Schweiz nehmen.
Condom, (Hotel Continental, Halbpension € 45)11. Oktober 2007
Heute war ein sehr schöner Tag. Morgens schien die Sonne und der Dunst fing an sich zu heben. Es war wunderschön und sah mal wieder aus wie auf einem Gemälde. Habe so viele Fotos gemacht, dass ich kaum mehr zum laufen kam. Der Weg war teilweise ziemlich morastig und wir hatten mal wieder Stollen unter den Schuhen. Ich musste total lachen, als ich Christian vor mir laufen sah mit den morastig braunen Wanderschuhen. Es hat ausgesehen als hätte er Elefantenfüsse…;-). Der Weg führte auch an einer Deponie vorbei und das war so ziemlich das hässlichste was mir bis jetzt auf meinen Wanderungen in Frankreich begegnet ist. Dafür sind wir später an einer wunderschönen Kapelle vorbeigekommen, Sainte Germaine, wo man sich gut ausruhen konnte da es im Garten einen Picknicktisch gab. Die Gelegenheiten, wo man sich am Weg gemütlich niederlassen kann sind eher selten und deshalb wird fast jede ausgenutzt. Hier ist uns auch wieder ein Pilger aus der Schweiz begegnet. Er kommt aus Luzern war aber nicht so gesprächig und ist gleich weitergezogen. Er geht auch bis Condom. Habe heute auch noch einen elektrischen Schlag bekommen als ich Baumnüsse einsammeln wollte. Habe mit der Hand den Zaun runtergedrückt (ja, ja tut man nicht), da es auf der anderen Seite noch viele schöne Nüsse hatte und ganz schnell wieder losgelassen. Habe das Nüsse einsammeln dann Christian überlassen…;). So ein kleiner elektrischer Schlag soll ja gesund sein, ist aber eher unangenehm.
In Condom sind wir im Hotel Continental abgestiegen, da ich Christian an unserem letzten gemeinsamen Abend keine Gîte zumuten wollte. Hätte wohl auch keine Chance gehabt wenn es so viele Hotels gibt…;-). Die Maison du Pélérin hat ihm von aussen auch gar nicht gefallen wobei es von innen nicht schlecht aussieht, habe Bilder im Internet gesehen. Mein Luxuspilger wird morgen alleine weiterziehen und ich werde meinen Ruhetag geniessen und meine Rückreise organisieren.
Wir haben dann noch ein kurze Besichtigungstour gemacht. Die Kathedrale von Condom ist ganz schön gross und wuchtig. Bis jetzt haben es mir auf meinem Weg aber nur zwei Kathedralen wirklich angetan; die eine in Le Puy und die andere in Conques. Da berührt mich wirklich was wenn ich drin sitze. Weiss auch nicht warum aber es ist so. Wir sind dann noch ins Armagnac-Museum und zur Degustation zu einem Armagnac-Händler. Es war sehr interessant dem Händler zuzuhören und zu lernen wie man einen Armagnac richtig geniesst. Da ist eine Riesenphilosophie dahinter und er schmeckt wirklich sehr gut.
Den Armagnac sollte man auch immer nach dem Essen geniessen da er beim verdauen helfen soll. Der Armagnac ist die reinste Medizin! Habe mir eine kleine Flasche 12 Jahre alten Armagnac gekauft und werde ihn zu Hause mit Freunden geniessen (nachdem sie eine Einführung im richtigen Armagnac trinken erhalten haben…;-)).
Abends haben wir dann im Restaurant sehr gut gegessen. Diese Etappe wird als meine Luxusetappe abgebucht. Habe pro Reise immer mindestens eine davon welche ich dann total geniesse.
Condom, 12. Oktober 2007 Jetzt sind Christian und Tashi gerade gegangen und ich bleibe gemütlich im Bett liegen. Muss das Zimmer erst um 11.00 verlassen, was für ein Luxus! Schreibe in meinem Tagebuch und geniesse meinen freien Tag. Werde heute die Stadt besichtigen und meine Rückreise für Morgen organisieren.
Der Abschied von Christian war etwas komisch, wahrscheinlich auch weil es nicht so ganz gelaufen ist wie Christian und ich uns das vorgestellt hatten. Es ist wirklich schwierig, am gleichen Punkt weiterzumachen wo man sich das letzte mal getrennt hat, vor allem auch, wenn man sich dazwischen ein ganzes Jahr nicht gesehen hat. Ich stehe heute ganz wo anders als damals als ich Christian zum ersten Mal getroffen habe. Damals hatte ich mich gerade von meiner letzten Beziehung getrennt und heute bin ich glücklicher Single und geniesse das Alleinsein.
Ich muss zugeben, dass es für mich sehr schwer war, vom alleine sein auf gemeinsames Laufen umzustellen. Ich musste diesen Raum welchen ich ganz für mich alleine hatte und wo ich tun und lassen konnte was ich wollte plötzlich aufgeben und wieder lernen Kompromisse einzugehen. Was mir teilweise nicht sehr gut gelungen ist. Bin wohl etwas ausser Übung…;-). Aber alles in allem war es trotzdem eine gute Erfahrung. Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie wertvoll es ist alleine zu laufen.
Wenn ich alleine bin fühle ich mich viel mehr verbunden, mit dem Weg, mit der Natur, mit Gott, mit allen welche diesen Weg schon gelaufen sind und noch laufen werden und mit mir. Es hat dann auch eine spirituelle Dimension welche ich sofort verliere wenn jemand dabei ist. Dann bin ich abgelenkt, man redet, man ist mit seiner Energie beim anderen und nicht mehr im Moment.
Toulouse, 12. Oktober 2007
Ja ganz richtig, ich bin in Toulouse. Sitze in der gleichen Bar, draussen in der Halle, trinke Bier und schreibe Tagebuch, wie letztes Jahr nach meiner ersten Wanderung von Le Puy nach Conques. Habe ein Deja vue…;-).
Eigentlich wollte ich mir ja einen schönen faulen, freien Tag machen aber daraus ist leider nichts geworden. Wollte am Nachmittag mein Zugticket für Samstag buchen und dann hiess es ich hätte dann keinen Zug ab Toulouse. Ich musste mich schnell entscheiden und habe dann um 17.00 Uhr den Bus nach Agen genommen. Von Agen bin ich mit dem TGV nach Toulouse und nun warte ich genau wie letztes Jahr 4 Stunden bis mein Zug nach Genf fährt. Bin schon bei meinem dritten Bier und die Zeit vergeht nur sehr langsam.
Genf, 13. Oktober 2007
Hatte wieder einen Liegewagen und habe sogar recht gut geschlafen, genau wie letztes Jahr…;-). Irgendwie scheint sich da was dauernd zu wiederholen.
Sitze im Speisewagen und geniesse ein richtig gutes Frühstück mit viel Kaffee, genau wie letztes Jahr…;-) und wenn ich zu Hause ankomme werde ich als erstes ein warmes Bad nehmen, genau wie letztes Jahr…;-).
Fühle mich rundum wohl und freue mich wieder auf zu Hause. Einfach zu Hause sein!
Ja und dies ist das Ende meiner Eintragungen, denn irgendwie weiss ich gar nicht mehr was ich schreiben soll. Ich werde jetzt einfach still sein und die Zugfahrt geniessen im Speisewagen.
ULTREIA!!! Immer weiter….
vom 23.7. – 8.8.2007
Cluny, 23. Juli 2007Nun bin ich also in Cluny angekommen. Ich wurde gleich von einem Gewitter begrüsst. Gott sei Dank breche ich erst Morgen auf denn es stürmt mal wieder. Dies erinnert mich an meinen ersten
Wandertag als ich im Herbst in Le Puy losgezogen bin. Bin mal gespannt, ob ich dieses Mal auch wieder so geprüft werde.
Die Zimmersuche für Morgen gestaltet sich schon mal schwierig. Die zwei Gîtes welche ich versucht habe anzurufen gibt es nicht mehr und ein Hotel ist wegen Umbau geschlossen. Beim vierten Anruf bin ich dann fündig geworden. Mache mir ein wenig Sorgen wegen meiner Finanzen wenn ich immer wieder im Hotel absteigen muss!
Ich muss wieder mehr Vertrauen finden und vor allem im Moment bleiben. Wie Eckhart Tolle so schön sagt: „Mit dem jetzigen Moment kann man immer umgehen aber mit der Zukunft, welche ja gar nicht existiert, nicht. Dies soll mein Motto für Morgen werden. Ich probiere es mal wieder mit Wünschen. Also für Morgen wünsche ich mir angenehmes und schönes Wanderwetter und viele schöne Begegnungen. Mal schauen ob dies hier auch wieder funktioniert. Wollte mir eigentliche Cluny anschauen aber das Wetter ist nicht gerade einladend, werde wohl aber trotzdem gehen. Heute Abend werde ich hier im Hotel essen und dann früh zu Bett gehen um Morgen fit zu sein.
Ich habe es doch noch geschafft Cluny zu besichtigen und hatte prompt schon meine erste Einsamkeitsattacke. Habe mich in eine Kirche gesetzt und geweint. Heute hätte ich gerne jemanden gehabt um mich mitzuteilen. Das ödeste ist alleine im Restaurant zu sitzen und aus dem Fenster zu starren. Ich mag es nicht alleine im Hotel zu sein, ich möchte lieber mit anderen Pilgern in einer Gîte sein so wie auf der Via Podiensis. Morgen bin ich aber schon wieder im Hotel… Vielleicht ist loslassen angesagt?
Letzten Herbst war ich auch die ersten zwei Tage total alleine und einsam, vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich noch nicht ganz da bin
Es war ein anstrengender Tag mit wenig Schlaf und wenig Essen. Dafür fühle ich mich jetzt überessen, dabei habe ich Käse und Dessert ausgelassen. Muss mich erst wieder an die Viergänger der Franzosen gewöhnen.
Vor meinem Fenster ist ein riesiger Schwarm Vögel gelandet, die machen einen Wahnsinnslärm! Kann man nur hoffen, dass die sich bald schlafen legen, dies scheint ihr Nachtquartier zu sein. Ansonsten kommen wohl meine Ohropax zum Einsatz.
Cenves, 24. Juli 2007 (23.5 km)Was für ein erster Tag! Als ich in Cluny gestartet bin hat es schon bald angefangen zu regnen. Ich bin sicher 2 – 3 Stunden in strömendem Regen gelaufen. Immer wieder kamen Zweifel auf ob ich mich nicht doch übernommen habe. Aber das kenne ich ja schon von meiner letzten Tour. Ich habe unterwegs niemanden getroffen und plötzlich hatte ich auch Angst, dass wenn mir etwas zustösst, mich niemand finden würde. Ich musste mich immer wieder in den jetzigen Moment zurückholen. Der grösste Teil des Tages war geprägt von Zweifeln, Ängsten und Einsamkeit. Es ist wie wenn ich da jedes Mal durch müsste am Anfang einer Pilgerreise.
Am Nachmittag wurde es dann leichter, das schlechte Wetter verzog sich innerlich wie äusserlich. In Tramayes bin ich schon um 15.00 Uhr angekommen und ich habe dann spontan beschlossen bis Cenves weiterzulaufen. Somit bin ich heute 23.5 km gelaufen und dementsprechend müde. Ist aber nicht schlecht für den ersten Tag!
Ich habe auch heute wieder fast nichts gegessen. Hunger hatte ich schon aber einfach keine Lust. Auch konnte man sich nirgends hinsetzen da alles total nass war. Dafür habe ich mir jetzt den Bauch mit einem Entrecôte und seltsamem Kartoffelstock vollgeschlagen (selbstgemacht von der Wirtin!).
Ich hatte schon wieder total Mühe ein Zimmer für Morgen zu finden. Ich treffe zwar niemanden auf dem Weg aber die Gîtes sind entweder voll oder es gibt sie nicht mehr. Morgen laufe ich deshalb nur eine kurze Etappe von 12 km bis nach Gros-Bois. Ich kann es also gemütlich nehmen. Werde meine Übernachtungen jetzt noch früher planen müssen also mindestens zwei Tage im Voraus. Die Nacht vom Donnerstag in Les Echarmeaux habe ich auch schon reserviert. Auch muss ich diesen Geldtrip loslassen, es wird auch günstige Übernachtungen geben.
Gros-Bois, 25. Juli 2007 (12 km)Heute bin ich in einem Schloss gelandet inklusive Schossherrn und Schlosshund. Habe nur eine kurze Etappe gemacht dafür bin ich noch zu weit gelaufen, da ich die Gîte nicht auf Anhieb gefunden habe. Ich musste beim Schlossherrn noch mal nach dem Weg fragen. Ich war so fixiert auf die blau gelben Jakobswegmuscheln, dass ich die Abzweigung nach Gros-Bois glatt verpasst habe. Ich habe es als Training für Morgen abgebucht.
Das Wetter war heute richtig gut, nicht zu heiss und vor allem kein Regen. In Ouroux hatte ich eine kleine Krise, ich fühlte mich mal wieder tierisch alleine und habe mich gefragt, warum in Gottes Namen ich das eigentlich mache. Ich hatte in dem Moment keine Antwort aber ich weiss aus Erfahrung, dass solche Momente kommen und gehen.
Ich habe heute unterwegs wieder niemanden gesehen, es scheinen nicht gerade viele Pilger unterwegs zu sein. Mein Schlossherr, Mr. Mavet meint dies sei wegen dem schlechten Wetter. Morgen laufe ich zum Col des Echarmeaux, dass geht dann ziemlich bergauf nehme ich an. Wenn alles so klappt wie ich es plane, werde ich für den Weg bis Le Puy 15 Etappen brauchen. Wenn es sein muss kann ich gut ein oder auch zwei Tage aussetzen.
So ein kleines Schossbier wäre jetzt wirklich nicht schlecht… Na mal schauen was noch kommt. Auf jeden Fall habe ich einen Bärenhunger, bin mal gespannt auf die Schlossküche. Bin neugierig ob Mr. Mavet hier alleine lebt, schwer vorstellbar ein ganzes Schloss für sich alleine zu haben. Wäre was für Willi, gross genug ist es ja! Ein Hauptgebäude und zwei Nebengebäude plus Scheune.
Heute Morgen wollte ich ein Bett in Cuinzier reservieren und habe aufs Band gesprochen weil niemand abgenommen hat. Heute Abend habe ich es dann nochmal probiert und da hat mir die gute Frau eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Dies fand ich total nett und fürsorglich. Es hat mich sehr berührt. Werde Morgen früh nochmal anrufen.
Kleiner Nachtrag: Ja, Mr. Mavet lebt hier ganz alleine! Das wäre nun wirklich nichts für mich.
Les Echarmeaux, 26. Juli 2007 (20 km)Heute komme ich zu meinem wohlverdienten Bier. Sitze draussen vor dem Hotel auf dem Pass des Echarmeaux und die Autos und Motorräder fahren vorbei. Aber das stört mich nicht, Hauptsache ich muss heute nicht mehr weiterlaufen, kann sitzen und mein Bier trinken. Ich muss noch eine Stunde aufs Essen warten und mir knurrt der Magen. Hier in Frankreich kriegt man vor 19.30 Uhr nichts zu essen und in Spanien ist es dann noch viel schlimmer habe ich gehört. Nichts für die armen Pilger die immer völlig ausgehungert ankommen.
Bin total müde aber froh, diese Etappe geschafft zu haben. Es war ziemlich anstrengend weil es viel bergauf und bergab ging. Am Ende der Etappe konnte ich fast nicht mehr, ich musste meinen ganzen Willen aufbringen um das letzte Stück des Weges noch zu schaffen. Habe mich wieder mal gefragt, warum ich mir das antue. Habe schon wieder keine Antwort und weiss doch, dass es für etwas gut ist.Es ist schwieriger auf dieser Strecke zu laufen als auf der Via Podiensis, weil wirklich kaum Leute unterwegs sind und ich fast niemanden antreffe. Ich bin sehr alleine und völlig auf mich selbst zurückgeworfen. Aber Angst habe ich eigentlich keine, die packt mich immer erst nachts im Bett wenn ich nicht schlafen kann. Ich habe eigentlich noch keine einzige Nacht gut geschlafen aber die letzte war die schlimmste. Habe sogar eine Schlaftablette genommen und nicht einmal das hat geholfen. Ich habe irgendwie zuviel Energie in meinem Körper und das lässt mich einfach nicht einschlafen. Ja und wenn ich mir das Bett von Heute anschaue wird das wohl auch nicht besser. Es ist ein ziemlicher Durchhänger!
Die morgige Etappe wird wahrscheinlich auch ganz schön anstrengend. Viel rauf und runter ca. 19 km. Hoffe, dass mein Körper und vor allem meine Füsse bis Morgen wieder mitmachen.
Willi der Arme ist noch immer unterwegs und am Ende seiner Kräfte. Hoffe, dass er bald irgendwo ankommt. Der kleine Spinner macht bestimmt etwa 40 km heute. Für mich unvorstellbar. Meine oberste Limite ist momentan bei ca. 23 km.
Cuinzier, 27. Juli 2007 (24 km)Ich bin hier in Cuinzier, in diesem wunderschönen Haus meiner Gastgeberin Veronique. Ich bin alleine denn sie ist in Lyon und hat mir ihr Haus einfach überlassen. Es berührt mich total hier zu sein, trotzdem dass ich wieder einmal alleine bin bekomme ich soviel Unterstützung nur in dem ich in diesem Haus bin. Es ist alles so liebevoll, die Atmosphäre allein ist Unterstützung genug. Dies ist das Haus einer Pilgerin und diese Frau kümmert sich um ihre Gäste auch wenn sie nicht hier ist. Schade, ich hätte sie gerne persönlich kennengelernt.
So was würde ich auch gerne machen, in einem Haus am Jakobsweg leben und mich um die müden Pilger kümmern.
Die letzten drei Tage waren sehr hart für mich, ich hatte viele Zweifel, Ängste und habe mich unheimlich einsam gefühlt. Ich habe mich mehrmals gefragt warum ich das eigentlich mache und hätte meine Pilgerreise am liebsten abgebrochen. Ich habe Unterstützung gebraucht und hier habe ich sie gefunden, auch wenn niemand hier ist.
Heute war der erste Tag wo ich leichten Herzens unterwegs war. Ich fühlte mich nicht mehr alleine und fühlte eine Präsenz in meiner Nähe welche mich unterstützte und beschützte. Nicht nur mein Herz war leicht sondern auch mein Schritt. Ich habe fast 25 km gemacht und bin trotzdem nicht so müde wie gestern. Sobald der Verstand mit seinen Ängsten und Zweifeln aus dem Weg geht und man völlig im Moment ist, fühlt man sich leicht und von einer schweren Bürde befreit. Ich fühle mich sehr dankbar dieser Frau gegenüber, allen die diesen Weg möglich machen, Gott, St. Jacques und nicht zuletzt mir gegenüber. Dieser Ort hier nährt und wärmt meine Seele, meinen Geist und meinen Körper. Bin mal gespannt wie ich hier schlafen werde.
Nachtrag: Habe auch hier leider wieder schlecht geschlafen.
Briennon, 28. Juli 2007 (23 km)Ich war mal wieder im Restaurant Essen und habe zwei Stunden auf einem unbequemen Stuhl gelitten! Ich hasse es einfach alleine ins Restaurant zu gehen und die Blicke der anderen zu spüren, als wäre man eine Aussätzige nur weil man alleine ist. Aber wahrscheinlich sind das nur meine Vorurteile, wäre ich OK damit alleine im Restaurant zu sitzen, hätten die anderen auch kein Problem damit oder es wäre dann einfach ihr Problem.
Ich bin in einem Hotel direkt über einer Bar abgestiegen und es ist dementsprechend laut. Wahrend ich dies hier schreibe habe ich Ohropax in den Ohren. Das Fenster werde ich auch noch abdecken müssen weil es keine Vorhänge hat und eine Laterne direkt vor meinem Fenster steht. Was für ein Pilgerleidwesen! Was für ein Kontrastprogramm zu gestern Abend. Aber eben man kann es sich nicht aussuchen, man weiss nie wo man unterkommt und schlussendlich ist man einfach froh überhaupt ein Bett zu haben und duschen zu können. Ansonsten hatte ich heute einen wunderschönen Tag. Viel Asphalt zwar aber meine Füsse haben gut mitgemacht. Ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, wie das die Pilger im Mittelalter wohl gemacht haben. Die hatten keinen Reiseführer, keine Landkarten, keinen Kompass und der Weg war auch nicht mit blau gelben Muscheln markiert. Wenn ich mal keinen meiner kleinen blauen Helferlein sehe stresst mich das gleich. Sich zu verirren und den Weg vor und zurück zu laufen kostet extrem viel Energie besonders wenn man sich dann noch darüber aufregt. Einmal bin ich so wütend geworden, dass ich laut geflucht und den Wanderstock in den Boden gerammt habe. In dem Moment fuhr Gott sei Dank eine Frau mit dem Auto vorbei welche ich angehalten und nach dem Weg gefragt habe. Ich wäre ohne Reiseführer und die blau gelben Muschelwegweiser völlig aufgeschmissen. Lieber heute ein Pilger als im Mittelalter! Damals gab es auch noch wilde Tiere und Räuber welche den Pilgern aufgelauert haben.
Es war heute ziemlich heiss aber Gott sei Dank blies immer ein Wind. Musste zwar öfters meinen Sonnenhut festhalten weil es mir den ständig vom Kopf geweht hat aber dass war mir egal. Ich bin wieder an dem Punkt angelangt wo ich es kaum erwarten kann am nächsten Tag weiterzulaufen. Morgen wenn ich in Bénisson-Dieu ankomme habe ich meine ersten 100 km geschafft. Bin unheimlich Stolz auf mich! Werde Morgen früh und ohne Frühstück loslaufen. Den Kaffee trinke ich dann irgendwo unterwegs. Mit Essen habe ich es eh nicht so tagsüber. Heute habe ich 2 Äpfel und 1 Tomate gegessen, dafür abends wieder mein obligates Viergangmenu. Wäre ja schön, wenn ich am Ende meiner Pilgerreise ein paar Kilo leichter wäre.
Saint-Haon-Le Châtel, 29. Juli 2007 (25 km)Heute Morgen hatte ich von Anfang an Mühe. Meine Füsse schmerzten und ich kam nie wirklich in einen Rhythmus. Vielleicht hat mir ja wirklich der Kaffee gefehlt heute Morgen. Gegen Mittag bekam ich dann auch noch Kopfschmerzen vielleicht war das ja schon Kaffeeentzug? Ich habe mich mühsam dahin geschleppt und als ich in Saint-Romain-La-Motte ankam habe ich zu St. Jacques und Gott gleichzeitig gebetet, dass es ein Café oder ein Restaurant gibt wo ich was Essen und einen Kaffee trinken kann. Ja und siehe da es hat geklappt. Normalerweise gehe ich immer zuerst in die Kirche wenn ich in einen Ort komme. Erstens um mich auszuruhen, mich zu sammeln, um meine Dankbarkeit auszudrücken und einfach um die Stille zu geniessen. Ich mag die Atmosphäre von katholischen Kirchen immer wie mehr. Dieses Mal steuerte ich aber zielstrebig auf das Restaurant zu welches mir schon von weitem zuwinkte und wurde freundlich aufgenommen und gut verköstigt. Einen Kaffee gab’s natürlich auch und meine kleine Pilgerwelt war wieder in Ordnung. Ich bin dann voll aufgetankt und frohgemut weitergewandert und auch die Füsse taten mir nicht mehr weh. Bis Saint-Haon-Le-Châtel waren es eigentlich nur noch 7 km wozu man normalerweise knapp zwei Stunden braucht. Es hat sich aber dermassen in die Länge gezogen bis ich endlich da war. Das letzte Stück zur Burg, wo auch die Gîte ist, ist wahnsinnig steil und ich bin mit hochrotem Kopf oben angekommen.
Jetzt bin ich mal wieder alleine in einer grossen Gîte aber mittlerweile macht mir das Alleinsein nicht mehr viel aus. Sogar das Essen im Restaurant ist nicht mehr so ein Alptraum für mich. Es wundert mich einfach, dass ich in sechs Tagen noch keinem einzigen Pilger begegnet bin. Die Einheimischen sagen auch es hätte ungewöhnlich wenige Leute unterwegs, es liege wahrscheinlich am Wetter. Wobei das Wetter bis auf den ersten Tag immer gut war. Schön, nicht zu heiss und es ging immer ein Wind.
Heute bin ich teilweise wirklich an meine Grenzen gekommen. Ich habe viel um Hilfe und Stärke gebetet auf Deutsch, Französisch und Englisch! Ja und es ist wirklich so, beten hilft. Gerade heute wo ich so am Anschlag war, habe ich immer wieder Hilfe erfahren. Man sagt ja, dass man als Pilger mit den Füssen betet und das stimmt irgendwie. Mein Vertrauen in diesen Weg, in Gott, in St. Jacques, in mich wird immer grösser. Ich mag auch nicht mehr zwei Tage im Voraus reservieren weil sich meine Pläne ja doch immer wieder ändern und dann muss ich wieder absagen. Es hängt auch immer von meiner Tagesform ab wie weit ich komme und die kenne ich nicht schon am Abend vorher. Morgen mache ich wahrscheinlich nur eine kurze Etappe, ich glaube ich muss meine Füsse schonen. Ich werde auch den Wecker nicht stellen.
Es ist sehr schön hier in Saint-Haon-Le-Châtel. Wieder einmal ein Kontrastprogramm zu gestern, man weiss eben nie was Gott mit einem vorhat. Der heutige Tag war schwer aber jetzt fühle ich mich sehr gut und im reinen mit mir und der Welt. Ich glaube ich werde mein Leben lang ein Pilger sein, das Leben ist doch auch wie eine lange Pilgerschaft. Unterwegs sein, immer wieder an einem anderen Ort, nie wissen wo man ankommt. Kein Tag ist wie der andere, alles ist immer wieder neu, wie wenn man in einem Buch eine neue leere Seite aufschlägt. Dies ist wahrscheinlich der Hauptgrund, dass man so im Moment ist und sein ganzes Leben hinter sich lässt. Man vergisst es einfach, es ist nicht mehr wichtig. Das einzige was zählt ist der nächste Schritt.
Charizet, 30. Juli 2007 (22 km)So jetzt ist es soweit, ich bin im Paradies gelandet, mit schmerzenden Füssen zwar aber überglücklich! Ich bin in einer Gîte, L’Eau du Puits, in der Nähe von Saint Jean Saint Maurice (Mann sind das immer komplizierte Ortsnamen!!!) untergekommen und zum ersten Mal bin ich nicht alleine, es ist himmlisch! Das Haus ist wunderschön, die Umgebung traumhaft und die Gastgeber super symphatisch! Es hat schon gut angefangen weil der Weg zur Gîte ausnahmsweise mal gut ausgeschildert war. Bei meiner Ankunft wurde ich herzlich begrüsst und bekam gleich mal ein Bier. Nathalie, meine Gastgeberin wäscht mir sogar meine Kleider in der Waschmaschine! Ich muss zum ersten Mal nicht waschen heute Abend. Was für ein Luxus vor allem werden meine Hosen wieder einmal so richtig sauber.
Im Moment habe ich das Gefühl, dass es von Tag zu Tag besser und schöner wird. Ich fühle mich auch immer leichter und unbeschwerter. Ich könnte den ganzen Tag fotografieren, muss mich richtig zurückhalten sonst komme ich nämlich nicht mehr zum laufen. Frankreich ist so ein wunderschönes Land, habe mich total darin verliebt und würde am liebsten auswandern. Ein schönes Fleckchen am Jakobsweg und dann mache ich auch eine Gîte auf und verwöhne die müden, hungrigen Pilger. Ich sollte mich in einen Franzosen verlieben der auch ein Pilger und Jakobswegverrückt ist. Träumen ist ja erlaubt oder?
Sass mit vier Französinnen welche mit Eseln unterwegs sind und meinen Gastgebern Nathalie und Dominique an einem grossen Tisch. Zuerst gab es einen Apèro mit Rosé und vielerlei Gebäck und einer herrlichen Aussicht auf die Umgebung. Ja und das Essen war so köstlich! Ich habe gegessen wie Gott in Frankreich. Jetzt weiss ich wenigstens woher dieser Spruch kommt. Es wurde viel geredet und manchmal konnte ich mit meinem Französisch nicht ganz mithalten. Vor allem auch weil die Franzosen wenn sie unter sich sind sehr schnell reden. Aber ich habe es trotzdem genossen in Gesellschaft zu sein.
Habe übrigens zum ersten Mal gut geschlafen! Kopf aufs Kissen, Ohropax rein und weg war ich bis zum Morgen. Vielleicht weil ich nicht alleine im Zimmer war oder vielleicht weil man im Paradies einfach nicht schlecht schlafen kann?
Pommiers, 31. Juli 2007 (19 km)
Jetzt bin ich zum ersten Mal auf einem Campingplatz in einem Wohnwagen gelandet. Ich hätte mehr auf Campingplätze ausweichen sollen aber ich wusste ja nicht, dass sie extra Wohnwagen für Pilger bereitstellen. Den Geldtrip kann ich nun endgültig loslassen.
Willi der arme Schatz ist im Spital in Wollhausen. Wahrscheinlich wird er gerade operiert. Er hat sich an diesem vierten Tag dermassen übernommen, dass er sich einen Leistenbruch zugezogen hat. Der kleine Spinner, immer muss er übertreiben! Hoffe, dass alles gut geht ist aber glaube ich keine grosse Sache, falls sie nicht noch was anderes finden. Trotzdem er kriegt eine Narkose. Ich habe in der Kirche von Pommiers eine Kerze für ihn angezündet, jetzt kann nichts schief gehen denn er hat Schutz von ganz oben!Heute Morgen bin ich ganz beschwingt und leichtfüssig in Charizet gestartet. Ich hatte das Gefühl Flügel zu haben und um 11.00 hatte ich schon die Hälfte meiner heutigen Etappe zurückgelegt! Nach Amions habe ich mich dann fast im Wald verlaufen. Mein Instinkt oder die Inspiration Gottes haben mir plötzlich geraten umzukehren. Die Etappe heute war entweder schlecht ausgeschildert oder ich habe die Zeichen einfach nicht gesehen. Ansonsten finde ich den Weg ja schon fast blind! Ich habe auch nicht mehr so Angst mich zu verlaufen. Ich denke, OK wenn ich falsch bin laufe ich halt einfach zur letzten Markierung zurück. Ich bin total froh über den Führer von Chamina. Da es Karten drin hat und ich einen Kompass habe, kann ich mich sehr gut orientieren. Es ist absolut ein Muss beide Reiseführer zu haben.
Wenn ich das richtig sehe sind es noch sechs Etappen bis Le Puy! In Montbrison möchte ich schauen, ob ich eine Landkarte von der Voie Bolène finde. So ganz ohne Karte unterwegs zu sein ist mir ein bisschen unheimlich. Wenn ich denke, wie oft ich um die Karten in meinem Reiseführer froh war.
So jetzt kriege ich dann gleich etwas leckeres zu Essen und Morgen geht es wieder los ohne Kaffe und Frühstück. Wenn ich nach Pommiers zurücklaufen mag hole ich mir noch was aus der Bäckerei Morgen früh. Aber auch das Essen verliert seine Wichtigkeit!
Montverdun, 1. August 2007 (21 km)Was für ein Tag! Heute Morgen habe ich verschlafen und war erst um 8.45 auf der Piste. Ich habe mir noch schnell zwei Croissants aus der Bäckerei geholt und zwei schöne grüne Äpfel. Ich bin nicht so geflogen wie gestern, es war eher harte Arbeit heute. Mal wieder ohne Kaffee unterwegs. Ich glaube ich bin kaffeesüchtig ohne läuft es bei mir nicht gut! Dieses Mal musste ich aber nicht so lange auf meinen Kaffee warten. Im nächsten Ort gab es eine Bar, der Kaffee war zwar miserabel aber immerhin sah er aus wie Kaffee.
Die Toiletten auf dem Campingplatz waren unter aller Sau und somit konnte ich mein morgendliches Geschäft nicht verrichten. Ich hatte ein dringendes Bedürfnis und in meiner Kaffeebar gab es zwar ein WC aber vorerst kein Licht und keine WC-Brille zum absitzen. Wieder nichts, deshalb A-Loch zuklemmen und weitermarschieren! Ich habe innerlich gebetet, dass ich ein nettes, ungestörtes Plätzchen finde wo ich endlich loslegen kann. Und tatsächlich plötzlich war da ein kleiner Wald in den ich mich zurückziehen konnte. Puuuhhh das war knapp!Frankreich ist das Land des Stacheldrahts, alles wird eingezäunt damit man ja nicht den Weg verlässt. Der Nachteil ist, dass wenn man mal muss, es schwierig ist einen ungestörten Platz zu finden, da man sich am Wegesrand ziemlich ausgestellt vorkommt auch wenn nicht viele oder gar keine Leute vorbeikommen. Der Vorteil ist, dass man praktisch nie Viehweiden überqueren muss darüber bin ich sehr froh.
Die Etappe war wieder einmal sehr hart heute und ich hatte irgendwie keine Lust. Ich konnte aber akzeptieren, dass es heute einfach so ist und trotzdem weiterlaufen. Meistens lief ich auf Asphalt und es war brütend heiss. Der heisseste Tag überhaupt seit ich unterwegs bin. Bei jedem noch so kleinen Schatten bin ich einen Moment stehen geblieben und habe die Kappe vom Kopf genommen um mein Hirn zu entlüften. Es hat ja auch niemand gesagt, das Pilgerleben sei ein Zuckerschlecken aber heute war es einfach zum davonlaufen.
In Montverdun wollte ich eigentlich im ehemaligen Kloster „Au Pic“ übernachten, die hatten aber leider keinen Platz für mich. Ist mal wieder so eine elende Reisegruppe abgestiegen und für die armen Pilger hat es dann keinen Platz mehr, ein bekanntes Problem in Frankreich. Eigentlich finde ich, dass sie immer 1 – 2 Plätze für Pilger freihalten sollten. Die Dame am Telefon hat mich dann auf den Campingplatz auf der Farm verwiesen worüber ich sehr froh war. Trotzdem war ich natürlich enttäuscht, nicht „Au Pic“ übernachten zu können.
Und so bin ich also hier gelandet, einem Campingplatz auf dem Bauernhof. Hier stehen ein paar einzelne Wohnwagen und in einem davon bin ich. Es ist wunderschön hier und ich muss sagen Gott hat das wieder mal richtig gut hingekriegt. Vor mir ist ein kleiner Weiher mit Fröschen drin. Sie quaken aber noch nicht, mal schauen wann sie mit ihrem Konzert loslegen. Am Rande des Weihers steht eine Trauerweide und ringsum hat es ganz viele Blumen. Ein kleines idyllisches Plätzchen und jetzt bin ich richtig froh, hier gelandet zu sein und nicht im ehemaligen Kloster. Wer weiss was mich dort erwartet hätte? Auch die sanitären Anlagen sind sauber nicht wie gestern in Pommiers. Ich fühle mich hier sauwohl!
Morgen will ich wieder früh los und werde dieses Mal wieder den Wecker stellen. Möchte früh in Montbrison sein damit ich Zeit habe zum Landkarten suchen. Vielleicht finde ich ja auch einen Schuhmacher der mir ein weiteres Loch in meinen Gurt machen kann. Ich habe dermassen abgenommen, dass ich meine Hose mit einer Sicherheitsnadel enger machen muss. Willi geht es wieder besser, er hat die Operation gut überstanden. Die OP hat vier Stunden gedauert. Scheinbar war alles verwachsen und sie haben eine Probe eingeschickt. Das gefällt mir gar nicht und ich hoffe sie finden nichts Schlimmes. Willi gibt mir morgen Bescheid.
Gestern ist vor mir auf dem Weg ein Reh über den Weg gelaufen. Dies ist schon das zweite Reh welches ich sehe. Heute ist mir ein kleiner süsser Hund ca. eine halbe Stunde nachgelaufen. Habe ihm immer gesagt er solle nach Hause gehen aber er hatte sich sichtlich verlaufen. Im nächsten Ort habe ich dann eine Frau angesprochen ob sie den Hund kenne. Sie meinte Nein hat ihn dann aber übernommen. Ich hoffe, dass sie den Halter gefunden hat. Ich meinerseits war froh, dass mir der Hund nicht mehr nachlief wobei seine Gesellschaft auch sehr angenehm war. Aber ich weiss von der Via Podiensis her, dass diese Hunde dann nicht mehr nach Hause finden.
So ich wasche jetzt noch meine Wäsche und dann mache ich Feierabend. Möchte mich endlich hinlegen und die Beine strecken.
Ach übrigens habe ich heute, nachdem ich neun Tage unterwegs bin, die erste Pilgerin getroffen. Es hat sich leider nicht ergeben, dass wir miteinander sprechen konnten. Sie hat ein Zelt dabei und schläft im Garten des ehemaligen Klosters.
Montbrison, 2. August 2007 (16 km)Mann, ich bin so was von fertig. Meine Füsse tun endlos weh dabei war die Etappe gar nicht so lange nur 16 km. Eigentlich wollte ich in Moingt, 2 km nach Montbrison auf dem Campingplatz übernachten aber sie hatten leider keinen Platz. Deshalb musste ich in Montbrison in einem Hotel bleiben. Hotels mag ich nach wie vor nicht so gerne, bin lieber in einer Gîte oder im Wohnwagen. Dafür kriege ich Morgen wieder einmal Frühstück! Es hat eben alles seine Vor- und Nachteile! Ist auch gut so den die Etappe Morgen wird auch wieder anstrengend. Ich gehe von knapp 400 m auf 760 m rauf und am nächsten Tag dann auf 1100 m. Gut kann ich den Aufstieg in zwei Etappen machen bin nämlich kein Hirsch wenn es rauf geht.
Habe mir Karten und eine Beschreibung der Voie Bolène besorgt. Es ist einfach beruhigender etwas dabei zu haben. Die letzte Karte bis Le Puy fehlt mir zwar, war leider nicht erhältlich.
Heute Nacht gab es ein heftiges Gewitter. Ich war froh, in meinem kleinen gemütlichen Wohnwagen zu liegen. Musste zwar in einer Blitzaktion die Luke am Dach schliessen weil es reingeregnet hat. Habe nicht sehr gut geschlafen aber ich schlafe ja meistens schlecht. Meistens wache ich um 3.00 Uhr morgens auf oder schon um Mitternacht und kann dann nicht mehr einschlafen. Morgens könnte ich dann schlafen nur muss ich dann eben aufstehen. Als ich um 8.00 Uhr los wollte fing es gleich mal an zu regnen. Oje dachte ich und stürzte mich in meine knallrote Pelerine. Vor allem hatte ich Angst vor einem nächsten Gewitter. Ich musste an die Pilgerin denken welche im Garten des ehemaligen Klosters „Au Pic“ übernachtet hat. Ich hoffe sie hat die Nacht gut überstanden! Möchte um nichts in der Welt mit ihr tauschen.
Ich bin dann los, mal wieder ohne Frühstück, nur mit einem Apfel in der Hand. Später gab es dann noch ein paar Krümel meiner Biskuits welche ich immer noch von zu Hause dabei habe. Es war total schwül und der Schweiss ist mir nur so runtergelaufen zudem wollten mich die Bremen zum Frühstück verspeisen. Solange man sich bewegt haben sie kaum eine Chance anzusetzen aber wehe wenn man stehen bleibt dann schlagen sie zu. Ich bin dann halt armwedelnd immer weiter gelaufen. Vielleicht habe ich zu wenig Pausen gemacht und bin deshalb so kaputt.
So mal schauen, was der nächste Tag so bringt, heute fühle ich mich eher niedergeschlagen.
La Cruzille, 3. August 2007 (18 km)Heute war ein wunderschöner Tag. Schöne Wege, kaum Asphalt und eine wunderschöne Umgebung. Die Füsse tun mir auch nicht mehr so weh wie gestern. Letzte Nacht habe ich ca. um 3.00 Uhr morgens zwei Tabletten Panadol geschluckt und meine Füsse mit Dolobene eingerieben, so sehr haben mich meine Füsse geschmerzt. Ich war mir gar nicht sicher ob ich am nächsten Tag weiterlaufen kann. Aber morgens waren die Schmerzen weg und nach einem guten Frühstück (Brot, Salami und Früchte) bin ich dann um 8.00 Uhr los. Es war leicht bewölkt und hatte den ganzen Tag nicht mehr wie 25 Grad. Ich habe mal wieder tierisch viele Fotos geschossen. Meine Niedergeschlagenheit von gestern war wie weggeblasen.
Morgen geht es nun ziemlich steil rauf, bis Montarcher sind es 9 km. Gut, dass ich die schwierige Strecke morgens mache wenn ich noch frisch bin. Ab Egarande wird es dann wohl keine blau gelben Muschelwegweiser mehr geben da ich die Voie Bolène gehe und den Jakobsweg verlasse. Wie ich sie vermissen werde! Mit den Karten und der Beschreibung kann eigentlich nicht viel schief gehen. Die nächste Ausgabe des Chamina Reiseführers hat bestimmt beide Varianten drin.
Heute habe ich mich ein paar Mal verlaufen aber es stresst mich nicht mehr. Entweder laufe ich zurück oder ich suche mir mittels Karte und Kompass einen anderen Weg der mich wieder auf den Jakobsweg zurückführt. Ich habe mal wieder die ganze Gîte für mich alleine. Mami hat mich gefragt, wo denn all die anderen Pilger sind. Tja, das möchte ich auch gerne wissen! Es sind halt nur sehr wenige Leute unterwegs und dann ist es eher Zufall, dass man am selben Ort und in der gleichen Gîte absteigt. Aber es stört mich nicht mehr allein zu sein. Natürlich hätte ich gerne ab und zu Gesellschaft aber ich nehme es halt wie es kommt. Ich kann es ja eh nicht ändern. Am besten man nimmt einfach alles wie es kommt ob man es mag oder nicht. Einen Tag gefällt es einem wo man übernachtet, an einem anderen nicht. An einem Tag gefällt einem der Weg, an einem anderen nicht. An einem Tag kriege ich einen Kaffee, an einem anderen nicht. Wenn einem etwas nicht gefällt kann man sich immer fragen, ob man daran was ändern kann. Wenn die Antwort Nein lautet gibt es nur eine Lösung: Es so hinnehmen wie es ist. Man kann sich auch darüber aufregen, nur bringt das leider nichts. Wenn man an der Situation etwas ändern kann sollte man es natürlich tun. So ich werde jetzt meine philosophischen Betrachtungen beenden und langsam ins Bett gehen.
Morgen möchte ich ganz früh los am besten schon um 7.00 Uhr. Es hat auch einen Vorteil wenn es kein Frühstück gibt; man kann früh los!
Usson-en-Forez, 4. August 2007 (21 km)Bin heute um 7.30 Uhr los. Wunderschöner Tag, stahlblauer Himmel, nicht zu heiss und eine wunderschöne Strecke. Um 10.30 Uhr war ich bereits in Montarcher und freute mich bereits auf den Kaffee welcher mir auf den Wegweisern vorangekündigt wurde. Nur hatte das Café wegen Umbau leider geschlossen. Pech! Dies sollte nicht die einzige Pechsträhne des heutigen Tages sein…
Montarcher liegt wunderschön auf einem Hügel mit prächtiger Aussicht. Den steilen Aufstieg auf 1100 m hatte ich hinter mir, er war eigentlich gar nicht so schlimm. Bin langsam ein alter Pilgerhase! In Egarande teilt sich der Jakobsweg in den GR3 und in die Voie Bolène. Zu meiner Freude bleiben mir die blau gelben Muschelwegweiser erhalten. Es sind beide Wege markiert!
Gleich nach Egarande ging ich auf einem kleinen, buschigen Weg mitten durch die Pampa. Der Weg war teilweise sehr morastig und es kam was kommen musste, ein falscher Tritt und ich versank bis zum Knie mit dem linken Bein im Sumpf! Der Sog war so gross ich konnte das Bein fast nicht mehr rausziehen. Auch hatte ich Angst, dass mein Wanderschuh drin bleibt, ich sah mich schon nur mit einem Schuh weiterlaufen. Gott sei Dank stand mein zweites Bein sicher auf einem Stein, denn wäre auch mein rechtes Bein im Sumpf versunken wäre ich wahrscheinlich alleine nicht mehr rausgekommen. Ich hätte zum ersten Mal meine Trillerpfeife benutzen oder per Handy Hilfe herbeirufen müssen. Ich war echt verzweifelt und habe um Hilfe und Stärke gebetet mich aus dieser misslichen Situation zu befreien. Mir kam dann plötzlich in den Sinn, dass man sich nicht zu heftig bewegen soll wenn man im Morast versinkt. Ich bin dann mit der linken Hand unter den Wanderschuh um ihn festzuhalten und habe dann mit grosser Mühe und viel Kraft das Bein langsam rausgezogen. Der Wanderstock war mir auch noch eine Hilfe da ich mich damit auf der anderen Seite abstützen konnte. Als ich endlich wieder auf trockenem Boden war musste ich mich erstmal hinsetzen, ist mir ziemlich eingefahren das Ganze und hat mich auch geschwächt. Ich musste mich erstmal vom Schreck erholen. Ich zog meinen Schuh aus, goss das Wasser aus dem Schuh und wrang meine Socke aus. Das erstaunliche war, dass mein Schuh innen nur nass aber kein Schlamm drin war. Ich weiss nun wie man sich fühlen muss wenn man in einem Moor versinkt, ist echt Scheisse und man ist ziemlich hilflos. Ich bin zum ersten Mal in eine sehr unangenehme Situation gekommen. Das hätte ins Auge gehen können! Jetzt kann ich schon wieder darüber lachen vor allem über die Vorstellung nur mit einem Wanderschuh weiterlaufen zu müssen! Ich sah aus wie ein Schwein welches ein Schlammbad genommen hat. Ich bin im Hotel Rival untergekommen, was ein Glücksfall ist, da sonst alles ausgebucht ist. Eigentlich wollte ich auf dem Campingplatz übernachten aber die haben keine Wohnwagen. Die Hotelwirtin war so nett mir meine Hosen zu waschen, im Lavabo hätte ich sie wahrscheinlich nicht sauber bekommen.
Jetzt bin ich total happy hier zu sein. Sitze draussen, trinke mein wohlverdientes Panaché und geniesse das Nichtstun. Vor allem geniesse ich es wieder sauber zu sein und saubere Klamotten anzuhaben!
Willi macht sich Sorgen um mich, dass finde ich total süss und berührt mich. Es ist schön wenn sich jemand Sorgen um einen macht.
Beim Nachtessen sass ich mit drei anderen Leuten an einem Tisch und es war sehr nett. Es war ein spezieller Abend und sie hatten einen Zauberer engagiert, der war total lustig. Habe viel gelacht. Die Geselligkeit hat mir sehr gut getan. Ça va bien se passer…
Chomelix, 5. August 2007 (20 km)Ja heute gönne ich mir etwas. Dies ist die teuerste Übernachtung des ganzen Jakobsweges! Die Übernachtung mit Frühstück kostet allein 62.50 € und ich habe noch nicht mal gegessen! Ich werde hier gut und gerne 100 € liegen lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts! Ich muss wohl den Monsieur am Telefon falsch verstanden haben als er mir gesagt hat das Zimmer koste 25 € plus 6.50 € für das Frühstück. Aber anstatt mich darüber aufzuregen, dass es endlos teuer ist werde ich mir jetzt einfach etwas gönnen. Gott möchte mich hier haben und er möchte, dass ich mir etwas Gutes tue und endlich meinen Geldtrip loslasse. OK, heute Abend lasse ich mich verwöhnen.
Nach Le Puy sind es ca. noch 30 km, das schaffe ich wohl nicht an einem Stück. Ich werde deshalb nochmals in St. Paulien (15 km) oder in Polignac (25 km) übernachten müssen. Ich bin heute Morgen erst um 8.15 los. Als ich um 7.15 Uhr runter bin um zu frühstücken war da leider niemand. Um 7.30 ist die Madame dann endlich gekommen und da noch nichts vorbereitet war hat es halt gedauert. Konnte ihr aber nicht böse sein schliesslich hat sie mir meine verdreckten Hosen gewaschen! Bin ich halt ein wenig später dran was soll’s.
Das Leben eines Pilgers ist so simpel, es sind die kleinen Dinge des Lebens welche einen glücklich machen: Ein Bett, eine Dusche, etwas zu essen und ab und zu ein bonne route, ein bon courage, jemand der einem die Hose wäscht, eine freundliche Begrüssung, ein kleines Bier als Belohnung nach einem anstrengenden Tag, ein Kaffee. Diese kleinen Dinge des Lebens machen einem total glücklich und endlos dankbar.
Heute war ein wunderschöner Tag. Es wird langsam immer heisser aber ich bin die meiste Zeit des Tages im Wald gelaufen. Erst die letzte Strecke bis nach Chomelix war richtig heiss da auf Asphalt. Ich kann es kaum fassen, dass ich Übermorgen in Le Puy bin. Es ist eine Wahnsinns Leistung welche ich hier vollbracht habe oder bald vollbringen werde. Ganz alleine fast 300 km zu wandern. Unglaublich! Ich bin stolz auf mich. Meine Familie und Willi sind auch stolz auf mich. Gönne mir gerade das zweite Bierchen und unterhalte mich angeregt mit dem Kellner. Zum Abschied sagt er noch: „Es ist mir eine Ehre Sie heute Abend bedienen zu dürfen“. Schön nicht?
Ich möchte echt grosszügiger werden mit mir selber. Ich habe dieses ewige knausern an meiner Person satt. Ich verdiene es verwöhnt zu werden auch von mir selber! Ich bin immer für irgendetwas in ferner Zukunft am sparen und gönne mir selbst nichts oder nur wenig. Immer diese Angst zu wenig Geld zu haben. Das muss aufhören! Heute Abend werde ich das Menu nehmen welches ich will und nicht einfach das billigste! Schliesslich zahle ich ja mit Visa!
Heute hatte ich gar keine unangenehmen Zwischenfälle, habe immer noch beide Wanderschuhe. Das gestern war ja wirklich ein Schreck! Mein linker Schuh war heute Morgen Gott sei Dank wieder trocken. Habe ihn vor dem zu Bett gehen noch mit WC-Papier gefüllt. Was diese Schuhe so alles aushalten müssen, bin aber sehr zufrieden. Keine Blasen, das Laufen auf dem Asphalt geht auch besser als letztes Mal wobei ich immer noch Schmerzen in den Füssen habe. Morgens sind die Schmerzen aber jeweils weg. Ich massiere meine Füsse auch jeden Abend und manchmal auch morgens bevor ich meine Schuhe wieder anziehe. Meine Füsse sind momentan auch das wichtigste, ohne sie geht gar nichts. Meine Knie machen mir überhaupt keine Probleme was vielleicht auch an meinen schockabsorbierenden Einlagen liegt.
Ich glaube ich werde noch ein Nickerchen machen vor meinem Festmahl heute Abend.
OK, es waren 95 € dies entspricht ca. 160.- Sfr. Konnte mit Visa bezahlen somit alles im grünen Bereich. Wird als Luxusetappe abgebucht.
Habe jetzt beschlossen zwei kurze Etappen von jeweils 15 km zu machen. Kann es also locker angehen. Möchte aber trotzdem früh aufstehen da es immer heisser wird.
Le Puy, 6. August 2007 (30 km)Ich kann es immer noch nicht fassen, ich bin in Le Puy!!! Angekommen um 19.00 Uhr nach einem Marathon von 30 km! Wollte eigentlich in Polignac übernachten aber leider war alles voll. Ein älteres Paar hat mir sogar angeboten mich irgendwo hinzufahren aber das wollte ich nicht. Ich bin ein Pilger und gehe zu fuss oder gar nicht. Nachdem ich etliche Telefonanrufe getätigt hatte, habe ich dann beschlossen bis Le Puy durchzulaufen. Ich glaube ich habe es nur geschafft weil ich konstant gebetet, gesungen und nicht auf meinen Verstand gehört habe. Es war ergreifend als ich oben auf dem Balkon über Le Puy angekommen bin wo man zum ersten Mal die Stadt mit dem Saint Michel l’Aighuille, mit der Statue von Notre Dame du Puy und der Kathedrale sieht. Ich musste gleich mal weinen, es hat mich total berührt wieder hier zu sein. Le Puy wird immer eine spezielle Stadt für mich bleiben!
Es ist dann aber noch ein langer Weg bis man in der Kathedrale von Le Puy ankommt. Zuerst läuft man den Balkon der Stadt entlang, dann geht es tierisch lange runter und zu guter letzt muss man den Berg wieder rauf steigen um oben bei der Kathedrale anzukommen! Diese Stadt sitzt nämlich auf diversen Vulkankegeln!
Endlich in der Kathedrale angekommen habe ich mich vor die schwarze Madonna gesetzt. Ich habe zwei Kerzen angezündet, eine vor der schwarzen Madonna und eine vor der Statue von St. Jacques. Man kann auch ein Gebet oder ein Dankesbrief schreiben, was ich gemacht habe, und den Brief bei der Statue einwerfen. Ich weiss nicht was es ist, was mich in dieser Kathedrale so ergreift, aber es berührt mich hier zu sitzen und ich kann mich fast nicht mehr davon lösen.
Mein erster Besuch war aber kurz, denn es was schon spät und ich musste den Accueil von St. Georges noch finden. Ich habe dann eine Frau nach dem Weg gefragt und die hat gesagt ich solle mich beeilen damit ich noch reinkomme! Ich stand dann vor dem Tor und niemand machte auf. Ich wollte schon anrufen, doch dann kam ein Pärchen und öffnete die Tür mit einem Code. Ich bin dann mit Ihnen reingegangen und sie haben mich dann auch zur Anmeldung geführt. Der Accueil von St. Georges ist riesig und hat ca. 240 Plätze!
Ich möchte ein oder zwei Tage hier bleiben bevor ich wieder in mein normales Leben zurückkehre. Ich bin nun ca. eine Stunde hier und es regnet ziemlich heftig. Es blitzt und donnert und ich bin richtig froh hier drin zu sein und nicht da draussen! Der Donner hat mich heute den ganzen Tag begleitet und ich habe die ganze Zeit gebetet, dass das Gewitter an mir vorbeigeht. Gott hat wirklich seine schützende Hand über mich gehalten, denn irgendwie bin ich dem Gewitter immer hinterher gelaufen (oder hat er es vor mir weggestossen?). Ich wüsste wirklich nicht was ich täte oder tun müsste wenn ich wirklich mal in ein Gewitter reinlaufen würde. Bin froh, dass ich die Erfahrung heute nicht machen musste, die Angst davor hat mir schon gereicht.
Heute werde ich nicht mehr rausgehen, heute Abend ist meine Notfallration fällig. Mein Salat mit Thunfisch und Reis und zum Dessert gibt es ein Brioche! Habe mir einen Stuhl vor dem Fenster platziert, die Füsse hochgelegt und esse mit Genuss meinen Salat. Es regnet in Strömen und ich geniesse es zuzusehen und im trockenen zu sitzen.
Das Dessert nehme ich stehend ein und platziere mir dazu noch ein Kissen am Fenster damit es bequemer ist. Gerade als ich mein Brioche essen will, kommt gleich neben mir ein Kopf zum Fenster raus und wir erschrecken uns beide sehr. Es ist ein Pilger aus Belgien welcher den ganzen langen Weg von zu Hause bis hierher gelaufen ist. Morgen geht er weiter bis Montbonnet. Dies war letzten Herbst auch meine erste Etappe. Da war ich ziemlich fertig nach einem stürmischen Tag und habe überlegt abzubrechen. Wir unterhalten uns lange und es ist ein schönes Gespräch. Genau die Art von Gesprächen welche ich bisher auf meinem Weg vermisst habe. Schon schade, dass ich gerade jetzt aufhören muss wo ich endlich andere Pilger treffe. Aber so ist es nun Mal und schon bald im Herbst werde ich meinen Weg ja wieder fortsetzen, diesmal auf der Via Podiensis und nicht auf einer Nebenstrecke!
Morgen früh um 7.00 Uhr gehe ich zur Pilgermesse und da ich dieses Mal einen Wecker dabei habe werde ich auch nicht verschlafen wie letztes Mal.
Le Puy, 7. August 2007War heute in der Pilgermesse. Es hatte sehr viele Leute, zw. 70 – 100! Eine grosse Gruppe mit jungen Pilgern aus Belgien ist heute Morgen aufgebrochen, sie sehen aus wie Pfadfinder. Ziemlich mieses Wetter für einen ersten Tag, denn es regnet immer noch und ist neblig aber mir ist es ja auch nicht besser ergangen.
Die Pilgermesse hat mich berührt, komisch wenn man bedenkt, dass ich einmal alles was mit Kirche und Christentum zu tun hat völlig abgelehnt habe. Die Kathedrale in Le Puy und auch die in Conques haben es mir sehr angetan. Auch wenn ich weiss, dass Gott in uns und überall ist, sind Kirchen und Kathedralen trotzdem spezielle Orte für mich. Habe mir einen kleinen Schlüsselanhänger mit einer silbernen Muschel und dem Emblem von Le Puy gekauft zur Erinnerung und eine Gedenkmedaille wie ich sie auch schon von Conques habe. Die Zugtickets für Morgen habe ich auch schon organisiert um 8.43 geht es los, zurück in die Heimat. Habe gemischte Gefühle nach Hause zu fahren, bin auch traurig, dass ich meinen Weg hier nicht fortsetzen kann. Es ist schwierig auf dem Jakobsweg zu starten und es ist noch schwieriger wieder aufzuhören. Fühle mich etwas verloren und auch noch müde und erschöpft von gestern. Ich mache mir heute einen ruhigen Tag.
Es hat jetzt mal aufgehört zu regnen, vielleicht schaffe ich es ja doch noch auf den Saint Michel l’Aighuille. Ist aber auch wieder anstrengend sind nämlich endlos viele Stufen bis ganz oben.
Nun war ich doch noch auf dem Saint Michel l’Aighuille, war gar nicht so anstrengend. Man hat eine schöne Aussicht, bei schönem Wetter ein noch viel schönere. Auf dem Gipfel ist eine kleine Kirche oder Kapelle. Was ich Kirchen liebe im Moment! Es hatte auch noch eine Ausstellung über die Entstehungsgeschichte von Le Puy und dem Saint Michel l’Aighuille, war sehr spannend. Bin dann noch ein wenig in Le Puy rumgeschlendert, habe ein Bier getrunken und gefroren. Habe beschlossen zurück in mein Zimmer zu gehen und mich ins Bett zu legen!Das lustige ist, dass mein Heimweg zum Accueil St. Georges durch die Kathedrale hindurch führt man kommt also gar nicht daran vorbei. Bin sicher noch eine Stunde bei St. Jacques und der schwarzen Madonna gesessen. Bin so gerne da und kann mich kaum losreissen. Habe gebetet und geweint und mich für die Unterstützung bedankt welche ich auf dem Weg erfahren habe. Gott und St. Jacques hielten die ganze Zeit ihre schützende Hand über mich. Habe es erst ab dem vierten Tag gespürt, als mein Verstand aus dem Weg war aber von da an waren sie konstant bei mir. Ich habe immer ihre Präsenz gespürt. Ich habe gespürt, dass ich nicht alleine bin und beschützt werde und das alles was passiert das Beste ist für mich, in diesem Moment.
Wenn man auf dem Jakobsweg läuft lässt man für kurze Zeit sein ganzes Leben hinter sich, man vergisst es förmlich und ist nur noch in diesem Moment. Nur noch der nächste Schritt zählt. In einem französischen Pilgerbuch habe ich gelesen: „Marcher pour perdre la peur de la vie“. Dies hat mich berührt weil ich tief drin in mir genau diese Angst spüre, diese Angst davor wirklich zu leben.
Heute Morgen in der Pilgermesse habe ich ja noch was ganz peinliches Unterschlagen. Ich habe nämlich zum ersten Mal in meinem Leben eine Hostie bekommen. Der Kardinal hat gesagt, dass alle diesen Segen erhalten können auch jene die nicht in der katholischen Kirche sind. Also bin ich ganz mutig nach vorne gegangen, direkt zum Kardinal und habe wie ein hungriger Vogel meinen Mund aufgesperrt. Als ich wieder an meinem Platz war habe ich gesehen wie alle die Hostie in die Hand bekamen und ich Trottel sperre den Mund auf. Das war ja so was von peinlich. Der Kardinal hat nicht mal mit der Wimper gezuckt aber bestimmt hat er mich als ungläubige erkannt. Wobei ich ja an Gott glaube aber nicht an die Institution der Kirche. Mein letzter Abend in Le Puy. Nach dem Abendessen mache ich noch einen kleinen Spaziergang durch das nun menschenleere Le Puy. Man wähnt sich im tiefsten Mittelalter wenn man so durch die leeren Gassen läuft. Ich hänge sehr an diesem Ort, an der Kathedrale, an der Bedeutung die es hat für die Pilger. Nächstes Mal wenn ich komme werde ich den Cloître (Kreuzgang) besichtigen und die Notre Dame du Puy hinaufsteigen. Ja, nächstes Jahr komme ich wieder wenn ich zu meiner grossen Pilgerwanderung aufbreche.
Weiss gar nicht ob ich morgen nochmal in die Pilgermesse soll aber in die Kathedrale gehe ich auf jeden Fall noch um mich zu verabschieden und dann werde ich meinen Rucksack schultern und die Rue des Tables hinunterlaufen, wie damals im Herbst als ich Richtung Conques loszog. Nur dieses Mal wird mein Weg mich zum Bahnhof führen und dann zurück nach Hause.
Ultreia! Ich werde meine Pilgerreise Ende September in Conques fortsetzen und bis Moissac wandern.
vom 2.10. – 13.10.2006
Le Puy en Velay, 2. Oktober 2006Heute Morgen um 9.00 Uhr ging es also los auf meine Pilgerreise von Le Puy nach Conques. Wenn ich denn soweit komme vielleicht muss ich ja schon vorher abbrechen. Im Moment sitze ich im Accueil St. François am Fenster und geniesse die letzten Sonnenstrahlen des heutigen Tages. Das Wetter ist bis jetzt wunderbar und viel wärmer als ich vermutet hätte. Man hat mich hier freundlich aufgenommen. Ich zahle € 26.50 für ein Einzelzimmer (!) mit Halbpension.
Im Moment kann ich gar nicht mehr verstehen warum ich solche Ängste durchgestanden habe um hierher zu kommen. Bin froh, dass ich es trotzdem gemacht habe. Es gibt ein schönes Sprichwort: „Mut ist wenn man es trotzdem tut“. Ich möchte meine Zeit auf dem Jakobsweg nutzen um Ängste abzubauen, ich habe so viele Ängste welche mich hindern wirklich zu leben. Die mich hindern das zu tun was ich wirklich möchte. Ich glaube, man kann Ängste nicht loswerden aber man kann sich ihnen stellen, sie zulassen und sie überwinden. Nur schon um hierher zu kommen musste ich so viele Ängste überwinden! Ich möchte auch schwere, dunkle Sachen die nicht zur mir gehören auf diesem Weg abwerfen können. Ich möchte ein neues Vertrauen finden in das Leben, in die Menschen, in Gott und nicht zuletzt in mich. Und falls ich je einen Glauben hatte würde ich den gerne wieder finden! Morgen werde ich um 7.00 (!) in die Pilgermesse gehen und mir meinen Segen für den Pilgerweg holen. Anschliessend werde ich Richtung Montbonnet aufbrechen, soll ganz schön steil sein hat man mir gesagt. Bin ja mal gespannt was mich da erwartet. Mein Stift gibt auf jeden Fall jetzt schon den Geist auf…;-).
Zum Abendessen gab es zuerst Reissalat, dann Linsen und Pastete, dann Käse und zum Schluss Mousse au chocolat. Die ersten Pilger welche ich getroffen habe waren Schweizer und kommen aus Bern! Werde jetzt noch alles für Morgen vorbereiten und dann ins Bett gehen. Bin ja mal gespannt ob ich es zur Pilgermesse schaffe vor allem da ich den Wecker auf meinem Handy nicht finden kann. Wahrscheinlich hat es keinen.
Montbonnet, 3. Oktober 2006 (14 km)Was für ein Tag! Gott hat mich wirklich getestet heute. Vielleicht als Strafe weil ich die Pilgermesse und meinen Segen verpasst habe? Schuld daran ist nur mein Handy! Aber ich glaube kaum, dass wenn es Gott gibt er uns straft das tun wir schon selber genug.
In Le Puy musste ich erst einmal den Weg suchen und dabei wäre es ganz einfach gewesen wenn ich mich an meinen Reiseführer gehalten hätte! Auf dem Weg raus aus Le Puy bin ich zuerst einmal einer riesigen Reisegruppe begegnet. Meine erster Gedanke war: „Die schnappen mir bestimmt das letzte Bett in Montbonnet weg“. Ich habe darauf hin versucht mir ein Bett zu reservieren aber leider niemanden erreicht. Die haben sich von einem Car begleiten lassen und konnten deshalb nur mit wenig Gepäck wandern. Ja so Weicheier gibt es auch auf dem Pilgerweg. Nicht wie ich, die Hartgesottene, welche sich durch Regen und Sturm kämpft mit dem schweren Rucksack!
Die ersten paar Stunden war es einfach nur grau aber in St. Christoph sur Dolaizon hat es dann angefangen wie aus Eimern zu schütten. Konnte mich gerade noch in eine Bar flüchten und bei einem Kaffe und Schokoriegel auf besseres Wetter warten. Essen kann man in diesen Bars ja leider nie dabei hatte ich solchen Hunger und ausser einer Bäckerei hatte alles zu. Der Regen hat dann auch bald nachgelassen dafür hat es angefangen heftig zu winden. Barbara, eine andere Pilgerin, hat mir dann Tage später gestanden, dass sie von St. Christoph das Taxi nach St. Privat d’Allier genommen hat. Warum nur bin ich immer so hart mit mir?
Na ja, die zweite Hälfte des Weges stand auf jeden Fall noch vor mir und es ging über eine Hochebene wo ich mehr als 2 Stunden gegen den Wind angekämpft habe und es mich fast vom Weg geblasen hätte. Ich war schier am verzweifeln und hatte auch Angst. Ich habe innerlich gebetet, dass ich einen Unterstand finde aber lange Zeit kam nichts. Da war auch noch so ein seltsamer Pilger welcher ständig an seinen Schuhen rumgenestelt hat und nicht einmal ein Bonjour geschweige denn ein wie geht’s über seine Lippen brachte. Wir sind das ganze Stück über die Hochebenen zusammengelaufen, also ich immer ein gutes Stück hinterher, wollte ihm ja nicht zu Nahe treten da er scheinbar absolut keinen Kontakt wollte. Vielleicht hat er ja ein Stillegelübde abgelegt? Es war auf jeden Fall komisch und hat meine Verzweiflung auf keinen Fall gebessert.
Nach langer Zeit kurz vor Montbonnet kam dann endlich der lang ersehnte Unterstand in Form einer Kapelle. Ich war total erschöpft und dankbar, so dass ich zuerst einmal angefangen habe zu weinen. Dieser Wind hat so an mir gezehrt und war so Kräfte raubend, ich war endlos dankbar in dieser Kapelle ausruhen zu können. Ich hatte auch nicht viel Proviant bei mir, ausser der Bäckerei ist mir nie ein Laden begegnet und so bestand mein karges Mahl aus Wasser, Brot und Tränen. Die Gegend ist schon sehr einsam es begegnet einem kaum ein Mensch dafür um so mehr Kühe und Schafe. Die Pilgersaison ist auch schon fast zu Ende und wenn man sich in der Gîte d’Etape nicht anmeldet riskiert man nichts zu Essen zu bekommen. Wäre mir heute Abend auch fast so gegangen nur hatte der Herbergsvater dann Erbarmen mit mir armen Pilgerin und hat mir Pasta, Tomaten, Eier, Früchte, Käse und Brot rüber gebracht. Ich habe mir dann aus all den Zutaten eine sehr spezielle Pasta gebrutzelt. Wahnsinnig lecker war es nicht aber es hat mir den Bauch gefüllt und ich fühlte mich schon um einiges besser. Vor dem Essen hatte ich unheimlich Heimweh und habe überlegt meine Pilgerreise abzubrechen. Ich war voller Zweifel und dachte, dass ich mir zuviel zugemutet habe. Es wäre schön gewesen andere Pilger zu treffen und sich auszutauschen.
Das Leben wird sehr einfach wenn man so pilgert und man ist mit sehr wenig zufrieden. Mein grösstes Glück ist es eine Gîte zu finden, ein gutes Essen zu bekommen und vielleicht noch andere Pilger zu treffen. Dieser Weg macht einen dankbar. Dankbar für die kleinen Dinge des Lebens, wie z.B. ein gutes Essen, ein warmes Bett und ab und zu ein freundliches Wort.
Die Gegend hier ist unheimlich schön, wenn nur das Wetter besser wäre. Es wäre schade, wenn ich schon bald abbrechen müsste. In Monistrol gibt es eine Eisenbahn und als ich vorher so deprimiert war habe ich mir überlegt umzukehren. Ich fühle mich sehr verletzlich, schutzlos und den Elementen ausgeliefert. Keine Mauern mehr welche mich schützen. Ich möchte lernen zu vertrauen und dies ist ja einer der Vorsätze die ich mir für diesen Weg vorgenommen habe: lernen wieder zu vertrauen. Ich komme oft an meine Grenzen und ich glaube diese Grenzüberschreitungen sind es welche mich transformieren. Dieser Weg ist eine riesige Herausforderung! So ich mache jetzt Schluss und gebe eine Bestellung ans Universum raus: „Bitte mach, dass es morgen besseres Wetter gibt. Vor allem kein Wind und auch kein Regen!
Monistrol d’Allier, 4. Oktober 2006 (12.5 km)Heute Morgen bin ich bei Regen gestartet aber der Wind war Gott sei Dank weg. Gepriesen sei das Universum oder Gott, wer auch immer meine Bestellung entgegengenommen hat. Der Regen ist nämlich halb so schlimm mit meinem Regenponcho, Regenhosen und Windjacke. Am Nachmittag ist dann sogar noch die Sonne raus gekommen und es war richtig schön warm. Beim runter laufen nach Monistrol ist mir eine Pilgerin begegnet welche aus Canada stammt. Sie heisst Julie und hatte sich verlaufen. Sie lief nämlich in die falsche Richtung. Ich habe mich richtig gefreut, mit ihr eine paar Worte zu tauschen, ja und auch eine andere Frau zu treffen welche alleine unterwegs ist.
Ich habe mir unterwegs auch gewünscht andere Pilger zu treffen und jetzt bin ich in einer Gîte voller sympathischer Menschen! Julie ist auch hier. Es scheint also wirklich zu funktionieren wenn man sich etwas von Herzen wünscht. Wenn ich heute nicht andere Pilger getroffen hätte, hätte ich wahrscheinlich aufgegeben und den Zug nach Hause genommen. Vor allem auch weil mir eine Frau in der Bar erzählt hat, dass die Saison vorbei wäre und in den nächsten Tagen alles schliesst. Dies hat mir jeglichen Mut genommen weiter zu gehen. Ich habe versucht Willi anzurufen damit er mir hilft die Züge rauszusuchen da dies von hier aus sehr schwierig ist. Keiner weiss Bescheid. Ich habe ihn dann aber nicht erreicht da er sich frei genommen hat und am Wandern war.
Als ich in Monistrol angekommen bin, war ich zuerst in der Gîte communal. Da war niemand und alles war leer. Es hatte eine Küche wo man kochen konnte, nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass alle Läden zu hatten. Ich habe mich eingerichtet, mein Bett gemacht und wollte gerade Duschen. Da habe ich mich noch mal umgeschaut und beschlossen, dass ich nicht hier bleiben will. Ich wusste, dass es noch eine andere Gîte in diesem Ort gibt und wenn es dort keinen Platz gehabt hätte, hätte ich immer noch zurückkehren können. Ich habe dann alles wieder eingepackt und bin abmarschiert. Wenn ich meiner Intuition nicht gefolgt wäre, hätte ich wieder eine Nacht alleine verbracht und hätte mir nicht mal etwas kochen können da ja alle Läden zu hatten. Ja und wahrscheinlich hätte ich meine Reise abgebrochen. Was mich da wohl gerufen hat? Und wie gut, dass ich auf diese Stimme gehört habe. Es hat mir wieder sehr viel Mut gemacht andere Pilger zu treffen, mich auszutauschen, zu lachen und zu wissen, dass ich nicht alleine bin. Dank diesen Menschen werde ich meine Reise gestärkt und guten Mutes fortsetzen. Es wäre auch ein beschissenes Gefühl gewesen jetzt schon aufzugeben. Ich habe jetzt auch noch andere Frauen getroffen welche alleine reisen. Julie aus Quebec hat wie ich eine Trillerpfeife dabei. Das hilft scheinbar nicht nur bei wilden Hunden und Stieren sondern auch bei wilden Männern…;-).
Ich bin so froh und dankbar, dass ich den Mut hatte mich auf diese Pilgerreise zu begeben. Es hat wirklich sehr viel mit Vertrauen zu tun, ja und irgendwie fühle ich mich auch beschützt. Ausser gestern während diesem Sturm hatte ich bis jetzt eigentlich kaum Angst und war auch nie in Gefahr. Das macht Mut.
Morgen habe ich vor eine Etappe von 21 km zu laufen. Zuerst nach Sauges und dann nach Le Falzet. Ich habe auch mal ohne Schwierigkeiten ein Bett reservieren können sogar ohne Handyempfang. Ich habe jetzt nämlich eine Telefonkarte!
Für Morgen wünsche ich mir gutes Wetter zum Laufen und dass ich immer mal wieder jemanden treffe. Ja und abends eine Gîte voller netter Leute! Was ich mir auch wünsche ist eine Verbindung und einen direkten Kontakt zu Gott! Gute Nacht liebes Tagebuch.
Le Falzet, 5. Oktober 2006 (21 km)Mann bin ich heute fix und fertig! 21 km von Monistrol über Sauges (steiler Aufstieg!!!) und dann bis nach Le Falzet. Alles tut mir weh! Die Füsse, die Beine, die Schultern, der Rücken. Es ist wie im Altersheim hier in der Ferme Auberge alle humpeln von einer Ecke in die andere. Heute sind wir zu fünft in der Gîte und wir haben es total lustig. Drei waren gestern schon in Monistrol und morgen Abend treffen wir uns wieder in Les Faux. Es ist ein ganz anderes Laufen jetzt, man trifft sich immer wieder irgendwo und trotzdem ist man unterwegs meistens alleine. Jeder geht in seinem Tempo und Rhythmus. Unsere Herbergsmutter hat uns gerade mitgeteilt, dass wir das schlimmste schon hinter uns hätten. Allgemeiner Freudentaumel! Wenn das keine guten Nachrichten sind für unsere schmerzenden Glieder!
Bin jetzt ziemlich zuversichtlich, dass ich es bis Conques schaffen werde. Wie ich von dort wieder wegkomme ist eine andere Frage. Ziemlich kompliziert das Ganze aber habe noch keine Lust mich damit zu beschäftigen.
Ich marschiere stundenlang alleine durch menschenleere Gegenden und doch habe ich nur selten Angst. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut geht. Man trifft auch meistens sehr interessante Leute. Es ist eine spezielle Art von Menschen welche diesen Weg geht. Letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zugetan, weiss nicht warum aber mein Herz hat so laut und schnell geklopft, dass ich nicht einschlafen konnte. Habe dann meditiert und mir gedacht, dass mein Körper trotzdem ausruht. So war es dann auch. Hoffe aber trotzdem, dass ich heute Nacht gut schlafen werde.
Les Faux, 6. Oktober 2006 (17.5 km)Wieder ein wunderschöner, langer, anstrengender Tag. Die Füsse tun weh aber sonst fühle ich mich sehr leicht und gut. Was für eine wunderschöne Gegend. Ich musste ständig anhalten um zu fotografieren. Habe mir heute Zeit gelassen und immer wieder Pause gemacht. Meine Füsse haben mich dazu überredet..;-). So viele Kühe, Schafe, Pferde und so wenig Menschen. Wahnsinn!
Heute hatte ich einmal kurz Angst als ich Chanaleilles verlassen habe. Ein roter Renault ist langsam an mir vorbeigefahren und hat dann weiter vorne angehalten. Ich habe schon mal meine Trillerpfeife bereitgehalten. Innerlich habe ich um Schutz gebetet. Als ich vorbeilief war aber niemand da und ich bin durch das Gatter in den Wald. Nach ca. 1 Stunde kam das nächste Gatter und wieder stand dieser rote Renault da. Dann ist ein etwa 80 jähriger Mann ausgestiegen und ich musste Lachen ab meiner unbegründeten Angst. Habe mich dann noch mit dem freundlichen alten Mann unterhalten und er hat mir noch ein bonne route mit auf den Weg gegeben. Ja die Ängste sind halt einfach da aber ich lasse mich dadurch nicht aufhalten und manchmal sind diese Ängste ja auch berechtigt. Bis jetzt hatte ich auf jeden Fall keinen Grund Angst zu haben. Keine wilden Hunde, keine wilden Stiere und schon gar keine wilden Männer! Überhaupt hätte ich nie gedacht, dass ich so alleine in dieser einsamen Gegend wandern kann. Einfach erstaunlich!
Ich treffe jetzt auch mehr Wanderer als die ersten Tage vielleicht liegt es am Wetter. Ich fühle mich auf jeden Fall, trotz Gepäck auf meinem Rücken, immer leichter und habe immer mehr Vertrauen in mich und meinen Körper. Morgen werde ich bis Aumont Aubrac gehen ca. 20 km. Wieder eine Mammutstrecke, auf jeden Fall für mich. Es gibt ja andere die locker zwischen 30 – 40 km hinlegen. Vielleicht schaffe ich das ja auch mal wenn ich länger unterwegs bin.
Zum ersten Mal hat es da wo ich übernachte eine Bar und ich kann genüsslich ein Bier trinken, Tagebuch schreiben und meine nächste Etappe planen. Man wird so richtig schön müde, ich liebe dieses Gefühl nach einem anstrengenden Tag.
Morgen verlassen mich meine beiden Belgier wieder und ich bin wieder alleine unterwegs aber ich werde einfach weitergehen und andere Leute treffen. Ja und beim wandern bin ich ja sowieso immer alleine. Mein Wunsch an Morgen ist wieder gutes Wetter, neue Leute treffen und vor allem keine schmerzenden Füsse und einen leichten Schritt.
Aumont Aubrac, 7. Oktober 2006 (20 km)Heute war es richtig heiss, dies gibt einem einen Vorgeschmack wie es im Sommer sein muss. Überhaupt ist diese Jahreszeit jetzt wunderschön und es hat nicht all zu viele Leute auf dem Weg. Im Sommer muss dies ja eine Pilgerkarawane sein, was man so hört. Es nimmt mich nur Wunder, wo die dann alle unterkommen am Abend. Wahrscheinlich muss man mehrere Tage vorher reservieren.
Heute habe ich gelernt, dass ich wirklich in meinem Rhythmus gehen muss sonst werde ich schnell müde und meine Füsse fangen an zu schmerzen. Auch finde ich es schwierig, längere Zeit mit jemandem zusammen zu laufen da man seinen Rhythmus dann anpassen muss. Ich lerne auch, genau das zu tun was für mich stimmt und dies auch auszudrücken. Ich finde es schön und bereichernd andere Pilger zu treffen, mich auszutauschen aber dann möchte ich alleine weitergehen. Barbara hat das heute zu spüren bekommen aber auf diesem Weg ist das völlig normal. Niemand ist beleidigt wenn man alleine weitergeht. Heute Abend bin ich in der Ferme du Barry angekommen wo ich reserviert hatte und es hat sich von Anfang an komisch angefühlt. Alles war schmuddelig, die Zimmer, die Bettwäsche, das Badezimmer und der Herbergsvater war mir auch nicht ganz geheuer. Der ist mir von Anfang an zu Nahe getreten und ich musste immer einen Schritt retour machen. Ich habe schon vorsichtshalber mal kontrolliert ob ich die Türe abschliessen kann, denn es hätte mich nicht gewundert wenn der plötzlich im Zimmer gestanden wäre. Ich habe mir überlegt eine andere Gîte zu suchen aber ich war einfach fix und fertig und mir fehlte die nötige Energie eine Entscheidung zu treffen. Innerlich habe ich gebetet, dass noch jemand in die Herberge kommt und ich nicht alleine hier bin.
Ja und dann stand da plötzlich Christian in der Tür welchen ich in Les Faux kennen gelernt habe und wollte auch hier übernachten. Er übernachtet normalerweise immer nur im Hotel und gestern habe ich ihm von den Herbergen vorgeschwärmt und da wollte er es auch mal ausprobieren. War irgendwie absurd aber wahrscheinlich war es die Antwort auf mein Gebet! Er hat sich kurz umgeschaut und mich dann überzeugt meine Sachen zu packen und mit ihm ein Hotelzimmer zu teilen. Weil er bleibe da auf keinen Fall und mich wollte er auch nicht alleine hier lassen, der Herbergsvater war auch ihm suspekt. Ja und so bin ich also mit einem mir fast unbekannten Mann mit Hund in einem Hotelzimmer mit separaten Betten (darauf habe ich bestanden!) gelandet. Was für ein Luxus! Das einzige was mich stört ist der Fernseher den Christian natürlich sogleich anstellt. Ja man kann nicht alles haben. Ich hoffe zumindest, dass er ein anständiger Mann ist und die Finger von mir lässt. Auf jeden Fall ist es besser als alleine in dieser schmuddeligen Herberge mit einem nicht ganz koscheren Typ zu sein. Christian ist nämlich ganz nett und sehr sympathisch. Dann hat das Hotel noch einen weiteren Vorteil: ich kann mal wieder meine Kleider in der Waschmaschine waschen! Wie wunderbar!!!
Ich bin total begeistert von dieser wunderschönen Gegend hier. Manchmal ist es fast wie im Märchen und ich warte fast darauf, dass mir Elfen und Feen begegnen. Ich bin schon richtig süchtig nach diesem Weg und freue mich schon auf die nächste Etappe. Möchte immer weitergehen, unterwegs sein, nicht anhalten. Ganz nach dem Motto: „Der Weg ist das Ziel“. Morgen werde ich in Rieutort d’Aubrac in einer mongolischen Jurte übernachten auf fast 1200 m. Auf diesem Weg trifft man Leute, geht ein Stück zusammen und geht dann wieder alleine weiter. Es hat auch immer wieder mit loslassen zu tun.
Schade, dass ich den beiden Belgiern, Olivier und Tschadiz nicht mehr Lebewohl sagen konnte. Morgen werden Christian und Barbara bis Nasbinal gehen und das schaffe ich leider nicht. Es sind 26 km! Darum heisst es wieder mal loslassen, neue Leute kennen lernen, ja und einfach immer weiter gehen.
Montgros, 8. Oktober 2006 (23 km)
Heute war wieder ein Mammutmarsch, ich habe 23 km zurückgelegt. Ich komme immer wieder an meine Grenzen. Zuerst wollte ich in Rieutort d’Aubrac in den Jurten übernachten, habe es mir aber doch noch mal anders überlegt und bin bis Montgros durchgelaufen. Das letzte Stück habe ich fast nicht mehr geschafft, ich musste mich zwingen einen Schritt vor den nächsten zu setzen. Bei meiner Ankunft traf ich das Berner Ehepaar, welches ich auf dem Weg nach Les Faux zum ersten Mal getroffen habe. Sie heisst Heidi, an seinen Namen kann ich mich leider nicht erinnern ich weiss nur dass er Pfarrer ist. Merkt man ihm aber nicht an. Die haben mich in der Herberge in Montgros in Empfang genommen und waren total nett. Ich war fix und fertig und sie haben mich wieder aufgebaut, mir Mut gemacht und mich zum Lachen gebracht. Wir haben dann auch das Zimmer zusammengeteilt. Die Gîte in Montgros ist wünderschön nur leider hat die Herbergsmutter Haare auf den Zähnen aber wir haben uns die ganze Zeit gut amüsiert. Am Morgen bin ich in Aumont Aubrac zusammen mit Christian gestartet wir haben uns aber schon bei der Kirche aus den Augen verloren und ich bin alleine weiter. Irgendwann habe ich ihn dann wieder eingeholt und wir sind ein Stück bis La Chaize de Pere zusammen gelaufen. Der kleine Hund ist total süss und wenn er nicht mehr mag legt er sich einfach auf den Boden und sein Herrchen muss ihn dann ein Stück tragen. Christian kommt aus einer ganz anderen Welt wie ich, er ist Architekt, seit 19 Jahren verheiratet, reich, hat diverse Ferienhäuser, Autos, Segelboot usw. aber wenn man auf dem Pilgerweg ist, ist das alles nebensächlich. Im normalen Leben wären wir uns nie begegnet. Hier auf dem Weg spielt die Herkunft keine Rolle.
Jeder macht seine eigenen Erfahrungen und jeder geht den Weg anders. Unter den Menschen welche diesen Weg gehen besteht eine grosse Toleranz und Hilfsbereitschaft und man fühlt sich wie ein Teil vom Ganzen. Auch wenn man alleine ist, fühlt man sich nie einsam. Man spürt die Leute die vor einem und hinter einem laufen und die welche den Weg vor langer Zeit gelaufen sind. Es ist schon sehr speziell und ich bin dankbar ein Teil davon zu sein.
In La Chaize de Pere habe ich die Kirche besichtigt und anschliessend habe ich mich zum ersten Mal verlaufen. Ich bin hin und her bis ich den Weg wieder fand. Ich habe mich geärgert, dass ich nun die beiden verloren hatte und dann habe ich beschlossen mal wieder loszulassen und einfach weiterzugehen. Man trifft Menschen welche einem sympathisch sind, man geht ein Stück zusammen und dann muss man wieder loslassen. Das ist einfach so auf diesem Weg und je schneller man loslassen kann desto leichter fühlt man sich.
Christian hat mir dann eine Nachricht auf den Boden geschrieben und so wusste ich, dass er etwa ein halbe Stunde vor mir ist. Dies ist auch etwas was mich auf diesem Weg sehr berührt hat, die Nachrichten an Mitpilger welche man überall findet. Es ist wirklich wie eine grosse Familie und man fühlt sich untereinander verbunden. Jeder geht zwar in seinem Rhythmus und trotzdem denkt man an den anderen den man zurückgelassen hat und hinterlässt ihm Nachrichten. Einfach schön und meistens erhält man diese kleinen Nachrichten genau dann wenn man sie am meisten braucht. Es gibt einem dann einen extra Energieschub voran zu schreiten.
Ich habe dann beschlossen einfach in meinem Rhythmus weiterzulaufen und so Gott will werde ich ihn wieder treffen oder auch nicht. Es macht einem unwahrscheinlich frei wenn man nicht festhält sondern einfach akzeptiert und weitergeht. Ich habe dann Christian und Barbara in einer Bar unterwegs wieder getroffen. Als ich angekommen bin hätte ich dann eine längere Pause machen müssen aber aus lauter Angst sie schon wieder zu verlieren bin ich zusammen mit ihnen aufgebrochen. Dies habe ich dann bitter bezahlt. Sie waren natürlich völlig ausgeruht und ich hatte nur eine kurze Pause ohne gross etwas zu essen. Ich habe versucht mit ihnen Schritt zu halten aber irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr konnte. Ich habe den beiden dann gesagt ich müsse eine Pause machen und sie sollen weitergehen da ich wusste, dass sie einen weiteren Weg vor sich hatten als ich und sie mussten zügig vorankommen um vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Ich hatte totale Schmerzen im Rücken und den Füssen. Es ist ihnen sichtlich schwer gefallen mich zurückzulassen aber ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir aufhalten lassen. So sass ich dann ganz alleine in den weiten des Aubrac und sah wie sie sich immer weiter von mir entfernten. Ich fühlte mich schrecklich alleine und musste total heulen. Da hatte ich nette Leute getroffen und jetzt musste ich sie wieder ziehen lassen weil ich nicht mehr weiter konnte. Ich war unendlich traurig und um mich herum grasten die wunderschönen Kühe des Aubrac. Ich war mir sicher, dass ich sie nie mehr wieder sehen würde. Irgendwann habe ich mich dann aufgerappelt und bin weinend weitergelaufen. Ich kam dann an einem Gatter vorbei und da kam ein wunderschönes Pferd auf mich zu und hat mich getröstet. Es hat mich so lieb angeschnaubt, da habe ich Mut gefasst und die Welt war wieder in Ordnung.
Ich habe Christian und Barbara bewusst losgelassen und bin in meinem eigenen Tempo weitergelaufen. Gross war meine Freude als ich sie bei der nächsten Rast an einem Brunnen wieder traf, nur diesmal machte ich nicht den gleichen Fehler und lies sie weiterziehen während dessen ich eine gemütliche Pause einlegte und Kräfte sammelte.
In Rieutort d’Aubrac habe ich dann beschlossen bis Montgros weiterzulaufen, da mir 2 Pilgerinnen unterwegs mitgeteilt hatten, dass es da auch noch eine Herberge gab und in der Jurte war es mir doch zu windig. Ja und um ehrlich zu sein wollte ich die anderen einholen.Die zusätzliche Anstrengung hatte sich auf jeden Fall gelohnt auch wenn ich fast auf allen vieren in Montgros angekommen bin. In Rietort d’Aubrac wäre ich nämlich wieder alleine gewesen und in Montgros wurde ich ganz herzlich von meinem Berner Ehepaar empfangen. Dieser Tag hatte sehr viel mit loslassen, wieder finden, vertrauen und in meinem eigenen Rhythmus gehen zu tun. Ich fühle mich so unendlich dankbar, dass ich für kurze Zeit auf diesem Weg bin.
St. Chély d’Aubrac, 9. Oktober (20 km)
Heute konnten wir erst um 8.00 Uhr frühstücken und ich habe mich ca. um 8.45 Uhr auf den Weg gemacht. Der Morgen ist immer ganz speziell und es ist meine liebste Tageszeit. Das Licht ist wunderschön, manchmal hat es gefroren in der letzten Nacht und dann sieht man einen leichten Schimmer von Rauhreif. Ich bin alleine gelaufen und kam ziemlich schnell vorwärts. Mühelos lief ich die 3 km nach Nasbinal welche ich am Tag zuvor auf keinen Fall mehr geschafft hätte. Insgeheim hoffte ich in St. Chély d’Aubrac Christian wieder zu treffen und dass hat mich sehr motiviert. Kurz vor Aubrac ist mir Barbara entgegengekommen die auf dem Rückweg war nach Nasbinal. Sie hatte eine organisierte Tour gebucht und musste in Nasbinal einen Ruhetag einlegen. Sie hat Christian noch ein Stück des Weges begleitet. Sie war traurig, wie ich gestern, weil sie ihren Weggefährten hat weiterziehen lassen müssen. Ich habe sie dann noch getröstet und bin dann auch weitergegangen. Loslassen ist wirklich etwas das wir alle lernen müssen und auf diesem Weg kommt man nicht daran vorbei.
In Aubrac habe ich Heidi und Ehemann wieder getroffen, sie sind dann aber gleich wieder aufgebrochen und haben mir gesagt, dass Christian eben gerade weg ist. Ich bat sie dann ihm mitzuteilen, dass ich heute Abend in St. Chély sein werde, ob er es glaubt oder nicht. Die sind nämlich ziemlich flott unterwegs und ich war mir sicher, dass sie ihn einholen würden. Innerlich musste ich grinsen. Ich habe mir dann eine schöne, lange, gemütliche Pause (mit Beinen hochlegen) gegönnt mit Kaffee und Kuchen. Der Kuchen war voller wilder Beeren und so gross, dass drei Leute daran satt geworden wären. Kurz vor der Hälfte musste ich leider kapitulieren. Der Monsieur hat mich noch gefragt ob er mir den Rest einpacken soll aber ich wollte nicht, denn jedes Gramm mehr in meinem Rucksack wiegt wie eine Tonne.
Gestärkt und frohen Mutes bin ich dann weiter Richtung St. Chély gewandert. Es war wunderbares, warmes Spätsommerwetter. Überhaupt ist das Wetter mit jedem Tag ein bisschen schöner geworden. Irgendwann nach Belvezet, ich war mal wieder am Ende meiner Kräfte, kam ein grosses Kreuz welches in einem Steinhaufen steckte. Ich bin schon fast daran vorbei gelaufen als ich in dem Steinhaufen einen Zettel mit meinem Namen entdeckte. Christian hatte mir mal wieder eine Nachricht hinterlassen: „Françoise. Courage tu es bientôt arrivé. 14.20 Christian“. Ich habe mich riesig gefreut und habe mit neuem Schwung meinen Weg fortgesetzt. Diese kleinen Nachrichten sind richtige Motivationshilfen.
Kurz vor 16.30 bin ich in St. Chély angekommen. Ich bin in der Gîte St. André untergekommen und habe ein eigenes Zimmer mit riesigem Doppelbett und eigenem Bad ganz für mich alleine. Geil! Weiss nicht wann ich das letzte Mal alleine in einem Zimmer war. Habe geduscht, meine Kleider gewaschen, meine armen Füsse gepflegt und bin dann Richtung Dorf geschlendert auf der Suche nach einem Bier. Kurze Zeit später ist mir Matt über den Weg gelaufen welchen ich auf der Strecke vor Aumont Aubrac kennen gelernt habe. Habe ihn gefragt wo man hier ein Bier trinken könne worauf er gemeint hat er käme gleich mit, ihm wäre auch danach. Ja und wer sass da im Restaurant, Zeitung lesend und bei einem Bier? Christian natürlich, grosse Freude auf beiden Seiten. Manchmal hat man das Gefühl man kennt sich schon Jahre dabei sind es nur Tage. Es war total lustig wir haben viel gelacht. Christian und ich haben beschlossen am nächsten Tag zusammen weiter zu laufen und ich werde ihn Morgen im Hotel abholen. Morgen Abend werden wir dann in Espalion zusammen essen. Ich glaube aber nicht, dass wir den ganzen Weg zusammen laufen werden sonst verliere ich nämlich wieder meinen Rhythmus!
Natürlich hoffe ich auch Heidi und Ehemann wieder zu treffen. Man wird wie eine kleine Familie die sich immer wieder trifft und die Freude ist jeweils gross.
Zurück in meiner Herberge gab es ein total leckeres Essen mit Rindfleisch vom Aubrac. Eine dieser schönen Kühe welchen ich seit Tagen begegne. Schluchz! Aber lecker war es trotzdem.
Espalion, 10. Oktober, 2006 (22 km)Am Morgen wollte ich Christian um 8.45 Uhr im Hotel abholen aber zu meinem Erstaunen war er schon weg. Ok, habe ich mir gesagt, loslassen ist angesagt und bin alleine losmarschiert. Es war mal wieder wunderschön und ich hatte wie immer morgens einen flotten Schritt drauf. Bald schon habe ich Christian eingeholt und wir sind dann wirklich bis Espalion zusammen gelaufen oder zumindest fast denn beim steilen Abstieg habe ich ihn wieder verloren. Wenn es steil hinuntergeht komme ich nur langsam voran.
In St. Côme d’Olt bin ich zur Post und habe Kleider und sonstige Sachen welche ich nicht mehr benötige nach Hause geschickt. Mein Rucksack ist somit 1.5 kg leichter geworden! St. Côme d’Olt ist eine wunderschöne, kleine, mittelalterliche Stadt und wir haben uns noch eine Stadtbesichtigung gegönnt bevor wir weiter marschiert sind. Der kleine Hund musste im Restaurant warten was er auch brav tat. Es war sehr schön mit Christian durch die Gassen zu spazieren und zwischen uns hat es auch etwas geknistert. Wir wollten dann eine Abkürzung am Fluss Lot entlang nehmen aber schlussendlich war es keine gute Idee da wir den ganzen Weg auf der Strasse zurücklegen mussten. Wenn mir etwas die Füsse kaputt macht dann ist es auf Asphalt laufen (casse pied!). Ich kam mal wieder fast auf allen vieren in Espalion an wo wir uns ein Hotelzimmer genommen haben, da Chris partout nicht zu überzeugen war in einer Gîte zu übernachten und da wir zusammen bleiben wollten habe ich nachgegeben. Für ihn ist es schon ein Entgegenkommen in 2 Sternehotels zu übernachten normalerweise ist er sich 4 Sterne gewohnt…;-) oder besser gesagt seine Frau, die ist nämlich nobel (blaublütig).
Christian hat mir dann die Füsse und den Rücken massiert und das hat total gut getan. Ich war dann doch endlich fähig mich in die Dusche zu schleppen. Vor dem Essen haben wir noch unsere Wäsche in die Wäscherei gebracht und als wir sie abholen wollten hatte die Wäscherei schon zu bis zum nächsten Morgen um 9.00 Uhr. Somit war klar, dass wir Morgen erst später starten können. Zuerst haben wir uns nämlich überlegt eine Mammutstrecke bis Golinhac zu laufen und das hätte geheissen ziemlich früh aufzustehen.
Estaing, 11. Oktober 2006 (11 km)Heute sind wir erst um 12.00 Uhr gestartet und kaum vorwärts gekommen. Wir haben für schlappe 11 km ca. 5 Std. gebraucht. Wir waren alle 3 hundemüde und die Füsse taten immer noch weh von der letzten Etappe.
Ich hatte beschlossen heute nur bis Estaing zu laufen und die Zeit zu nutzen um mich im Reisebüro über die Rückreisemöglichkeiten zu informieren. Ich glaube ich wollte Christian loswerden und lieber alleine weiter laufen. Er beschloss dann aber das gleiche zu tun und so sind wir doch zusammen gestartet. Ich glaube wir waren so müde weil ich lieber alleine gelaufen wäre und Christian lieber die ganze Etappe bis Golinhac gemacht hätte. Er wusste aber, dass ich das nicht schaffe und so sind wir beide Kompromisse eingegangen und haben nicht gemacht was wir wirklich wollten. Dies hat uns die Energie geraubt. Ich weiss nun zumindest warum so viele Paare zusammen auf diesem Weg starten aber am Ende einzeln ankommen. Den Pilgerweg läuft man am besten alleine in seinem eigenen Rhythmus ansonsten geht man immer Kompromisse ein. Der Preis der Zweisamkeit heisst Kompromisse eingehen.
Ich fand dann aber, dass Christian doch sehr sympathisch ist und vor allem an seinem Hund, habe ich mein Herz verloren. Ich mag ja Hunde eigentlich nicht so aber dieser ist wirklich süss.
Kurz vor Estaing bin ich auf dem Pilgerweg welcher durch den Wald führt geblieben und Christian wollte lieber der Strasse entlang laufen. Als ich wieder auf die Strasse traf fehlte von den beiden jede Spur und da ich mir nicht vorstellen konnte schneller zu sein als sie habe ich meinen Weg nach Estaing fortgesetzt. Zu meinem Erstaunen war ich dann doch zuerst da und zwar deshalb weil der kleine Hund mal wieder nicht mehr laufen wollte und Christian den Hund tragen musste. In Estaing haben wir ein günstiges, zauberhaftes Pilgerhotel gefunden und nach dem Duschen haben wir sogleich die Stadt erkundet. Wir beschlossen, dass wir morgen eine Etappe überspringen müssen um am Donnerstag in Conques zu sein. Da ich nur am Freitagabend einen Zug zurück in die Schweiz habe.
Estain – Golinhac per Taxi (16 km)
Conques, 12. Oktober 2006 (21 km)Heute Morgen haben wir das Taxi von Estaing nach Golinhac genommen und sind dann die letzte Etappe von 21 km bis Conques gelaufen. Ich bin am Morgen gleich voran geschritten da ich auf keinen Fall meinen Rhythmus verlieren wollte. Wir waren zügig unterwegs und es war eine wunderschöne Strecke. Wir hatten das Gefühl, dass wir jetzt zu richtig guten Pilgern werden. Jeden Tag tut es etwas weniger weh, der Rucksack wird leichter und das Laufen geht einfacher. Unterwegs ist uns ein Pilger begegnet welcher auf dem Rückweg war von Santiago di Compostela! Er ist Mitte Mai aufgebrochen und plant im Dezember zurück in Belgien zu sein. Das hat mich sehr beeindruckt. Er hatte einen mehrere Meter langen Pilgerausweis! Er hatte auch kein Geld mehr und ich habe ihm meine restlichen Euros überlassen. Ich kann ja in Conques wieder für Nachschub sorgen.
Immer wieder gibt es Kirchen zu besichtigen und dies sind immer willkommene Pausen und Momente der inneren Einkehr. Einmal glaubten wir uns verirrt zu haben und sind die gleiche Strecke dreimal gelaufen weil wir schlussendlich doch auf dem richtigen Weg waren. Das hat uns bestimmt 1-2 km zusätzlich gekostet. Es war das einzige Mal auf dem ganzen Weg wo wir keine Zeichen und Wegmarkierungen fanden und dann ist man gleich verunsichert.
Das letzte Stück nach Conques war dann noch mal so richtig schwer. Es ist steil bergab gegangen und da es am Ende eines Tages war umso anstrengender weil schon total müde. Ich war mal wieder total erschöpft und dem Weinen nahe und hatte das Gefühl nie mehr anzukommen. Musste mich für jeden weiteren Schritt konzentrieren und anstrengen. Manchmal hilft nur noch Beten.
Plötzlich und wie aus dem nichts sieht man die ersten Häuser von Conques. Was für eine Erleichterung und Genugtuung angekommen zu sein! Die letzte Nacht haben wir in der Abbaye Sainte Foy übernachtet. Sogar Christian hat dieses Mal auf sein Hotel verzichtet! Der Empfang im Kloster war sehr herzlich und sehr sympathisch. Die Kathedrale von Conques ist wunderschön und ich war total überwältigt angekommen zu sein. Beim Abendessen sassen wir mit vielen anderen Pilgern am Tisch und ratet mal wer auch da war? Der seltsame Pilger vom ersten Tag! Er ist Österreicher und wartet auf neue Schuhe aus der Heimat. Deshalb hat er immer an seinen Schuhen rumgenestelt. Ich habe kein Wort mit ihm geredet! So wie er da sass war er auch immer noch in seinem Schweigegelübde.
Abends hat dann eine Schweizer Chorgruppe in der Kathedrale gesungen und es hat mich total berührt. Es ist mir bewusst geworden, dass ich angekommen bin und dieses Gefühl ist überwältigend. Auch zu denken, dass ich es geschafft habe trotzdem dass ich oft an meine Grenzen gestossen bin. Ich fühle mich unendlich dankbar.
Conques 13. Oktober 2006Heute Morgen haben wir mindestens eine Stunde damit verbracht rauszufinden wie wir hier wieder wegkommen. Ich musste mich immer wieder daran erinnern zu vertrauen, dass ich schon irgendwie nach Hause komme. Wir haben dann ein Taxi gefunden welches uns nach St. Christoph fährt und dann konnten wir endlich entspannen und unsere letzten Stunden in Conques geniessen. Wir haben eine Stadtbesichtigung gemacht und das Städtchen Conques ist einfach atemberaubend schön. Im Hotel St. Jacques haben wir dann noch zu Mittag gegessen unser letztes 4-Gang-Menu. Wollte ein Andenken haben von Conques und habe mir eine Gedenkmünze gekauft. Damit ich nicht vergesse, dass ich es wirklich und wahrhaftig geschafft habe von Le Puy nach Conques zu laufen. 200 km!!! Zum Abschluss bin ich dann noch mal in die Kathedrale und habe eine Kerze angezündet. Habe mich noch eine Weile hingesetzt voller Dankbarkeit. Dieser Weg war sehr anstrengend aber er hat mir soviel gegeben. Ich fühle mich so reich und beschenkt. Habe wieder Vertrauen gefunden in mich, das Leben und Gott. Habe mich wieder gefunden, meine Leichtigkeit, mein Lachen, meine Tiefe. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich ein ganz anderer Mensch bin auf diesem Weg, viel mehr mich selber, unbeschwert und frei. DANKE GOTT!!!
Um 15.00 Uhr hat uns das Taxi abgeholt und wir mussten leider abreisen. Gerne hätte ich meine Reise fortgesetzt aber ich weiss jetzt schon wo ich meinen Weg fortsetzen werde. In Conques! Vielleicht in den nächsten Sommerferien. Ich weiss jetzt, dass ich diesen Weg alleine gehen kann und sogar mit Freude!
Das Taxi hat uns dann nicht nach St. Christoph gefahren sondern nach Decazville. In Decazville hatten wir 20 Min. später einen Zug nach Rodez und dann gleich weiter nach Toulouse.
In Toulouse haben Christian und ich noch mal schnell was gegessen und dann musste er weiter Richtung Montpellier und Avignon. Ich habe die beiden auf den Zug gebracht. Der Abschied war kurz und schmerzlos. Uns beiden war von Anfang an bewusst, dass wir nur ein Stück des Weges zusammen gehen und dann wieder jeder in seine Welt zurückkehrt. Ich hatte kein Bedürfnis festzuhalten und er auch nicht und wenn ich auf diesem Weg etwas gelernt habe dann ist es loszulassen. Es war schön diesen letzten Abschnitt zu zweit zu gehen, zusammen anzukommen, sich zusammen zu freuen dass wir es geschafft haben.
Jetzt sitze ich hier in Toulouse in einer Bar bei meinem dritten Bier und warte auf den Zug nach Genf (geschlagene 4 Std.!). Ich konnte endlich mein Tagebuch nachführen, die letzten 3 Tage bin ich nicht dazugekommen.
Jetzt hat die Bar zugemacht und jetzt treffe ich noch zwei Pilgerinnen mit welchen ich in Conques in der Abbaye Sainte Foy am gleichen Tisch sass und zu Abend gegessen habe. Sie haben heute Morgen um 8.00 Uhr in Conques den Bus genommen und dann in Bezier keinen Platz mehr im TGV bekommen. Somit mussten sie auch nach Toulouse reisen und den TGV nach Genf nehmen. Ich habe wunderbar geschlafen im TGV. Um 9.00 Uhr waren wir in Genf und um 9.15 fuhr der Zug nach Basel. Gert und ich haben dann im Zugrestaurant zusammen ausgiebig gefrühstückt bis sie in Yverdon ausgestiegen ist. Gegen Mittag war ich wieder in Basel und habe mir sogleich ein heisses Bad gegönnt! Wunderbar!
ULTREIA!!!Immer weiter…